00:00:03: Und wir müssen es drastisch sagen, Deutschland,
00:00:06: so hart es klingt,
00:00:08: ist der Puff Europas.
00:00:10: Und das ist keine schöne Auszeichnung.
00:00:13: Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat in der vergangenen Woche bei der Verleihung des Heldinnen Awards der Alice Schwarzer Stiftung die Debatte über Prostitutionen neu entfacht.
00:00:22: Sie fordert ein Sexkaufverbot nach nordischem Vorbild, also Strafen für Freier und die Schließung von Modellen.
00:00:28: Prostitution sei eben kein Beruf wie jeder andere, und – Zitat – eine Verechtlichmachung von Frauen.
00:00:34: Prostituierte müssen unterstützt werden, um auszusteigen.
00:00:37: Ein großes Thema und ein heikles Thema, weil es um Würde, Gewalt, Freiwilligkeit, Stigma und vor allem um ganz persönliche Lebensläufe geht.
00:00:46: Trotzdem oder gerade deswegen ist es wichtig, dass wir darüber sprechen.
00:00:50: Mit meiner Kollegin Johanna Dürholtz aus dem Ressort Deutschland und die Welt spreche ich über ihre Begegnung mit Manuela Freitag, der dienstältesten Dominar der Herbertstrasse in Hamburg.
00:01:00: Und im zweiten Gespräch in dieser Folge geht es dann um die politische Debatte, die für uns Anna-Lena Rittberger aus der Politikredaktion mitbringt.
00:01:07: Und damit herzlich willkommen zum FAZ-Podcast für Deutschland, heute am vierzehnten November.
00:01:13: Mein Name ist Michael Götz und ich freue mich sehr, dass Sie zuhören.
00:01:19: Zuerst werfen wir einen Blick auf die bestehenden Verhältnisse.
00:01:21: Meine Kollegin Sandra Klüber fasst zusammen, was wir über die Prostitution in Deutschland wissen und auch das, was wir nicht wissen.
00:01:31: Wer
00:01:31: einen Blick auf Daten und Fakten zur Prostitution in Deutschland werfen will, der stößt schnell auf ein grundlegendes Problem.
00:01:38: Es gibt sie eigentlich nicht.
00:01:40: Nur ein kleiner Anteil der Prostituierten ist offiziell registriert und die Dunkelziffer bei der Sexarbeit riesig.
00:01:48: Laut Statistischem Bundesamt gab es Ende im Jahr zwanzig rund zweiunddreißigtausend Dreihundert Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Deutschland.
00:01:57: Schätzungen gehen aber davon aus, dass tatsächlich mehrere hunderttausend bis zu eine Million Menschen in der Prostitution arbeiten.
00:02:05: Das Geschäft ist groß.
00:02:07: Die Branche setzt in Deutschland jährlich rund fünfzehn Milliarden Euro um, schätzen Experten.
00:02:12: Die große Mehrheit der registrierten Prostituierten kommt nicht aus Deutschland.
00:02:17: Nur etwa siebzehn Prozent haben die deutsche Staatsangehörigkeit.
00:02:21: Die meisten stammen aus Rumänien rund ein Drittel, gefolgt von Bulgarien und
00:02:26: Spanien.
00:02:28: Die
00:02:28: Statistik berücksichtigt keine Geschlechterverteilung.
00:02:32: Prostitution ist aber überwiegend weiblich.
00:02:36: Die Frauen und Männer sind meist zwischen einundzwanzig und viervierzig Jahren alt.
00:02:41: Neun von zehn Prostituierten arbeiten für einen Zuhälter.
00:02:45: Laut Bundeskriminalamt kann eine Prostituierte ihrem Zuhälter bis zu einhunderttausend Euro im Jahr bringen.
00:02:52: Lange gilt Prostitution in Deutschland als sittenwidrig und ist damit zwar nicht strafbar, aber auch nicht legal.
00:03:00: Erst durch das Prostitutionsgesetz-Zweißen-Zwei wird sie rechtlich als Dienstleistung anerkannt.
00:03:06: Mit dem Gesetz sollen sich vor allem die Bedingungen der Sexarbeit verbessern und die Kriminalität bekämpft werden.
00:03:13: Aber die Realität sieht weiter oft ganz anders aus.
00:03:17: Viele Prostituierte arbeiten weiterhin unter prekären Bedingungen, erleben Ausbeutung und Gewalt.
00:03:24: Das kritisiert auch die damals zuständige Ministerin Manuela Schwesig.
00:03:29: Es ist richtig gewesen,
00:03:31: dass die Prostitution
00:03:32: legalisiert wurde.
00:03:33: Damit war die
00:03:34: Möglichkeit gegeben,
00:03:35: dass Frauen und auch Männer aus dem
00:03:37: Dunkelfeld kommen
00:03:39: in die Legalisierung.
00:03:40: Aber es war nicht richtig, dass keine Regeln
00:03:42: aufgestellt worden sind.
00:03:48: Bordellbetreiber müssen jetzt ein Betriebskonzept vorlegen und sich verpflichtend Prostituierte nicht zu bestimmten Praktiken zu zwingen.
00:03:56: Es gilt eine Kondompflicht.
00:03:59: Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter müssen sich offiziell melden, müssen regelmäßig zur Gesundheitsberatung und bekommen eine offizielle Bescheinigung.
00:04:08: Doch auch mit dem neuen Gesetz bleiben viele alte Probleme.
00:04:12: Kritiker sehen in der Prostitution keine selbstbestimmte Dienstleistung, sondern legalisierte Gewalt vor allem gegen Frauen.
00:04:21: Deshalb fordern viele auch für Deutschland das sogenannte Nordische Modell, das zum Beispiel in Schweden oder Frankreich gilt.
00:04:29: Dort ist nicht die Prostitution selbst verboten, sondern der Kauf sexueller Dienste.
00:04:34: Damit soll die Nachfrage gesenkt und der Menschenhandel bekämpft werden.
00:04:38: Statistiken aus Schweden zeigen auch Erfolge des nordischen
00:04:41: Modells.
00:04:43: Verfechter der deutschen Rechtslage befürchten aber, dass die Sexarbeit dadurch noch mehr in den Untergrund abwandert und die Selbstbestimmung und die Arbeitsrechte der Prostituierten geschwächt werden.
00:04:54: Fest steht, Prostitution bleibt ein Thema, bei dem es keine einfachen Antworten gibt,
00:05:00: aber viele
00:05:01: offene
00:05:01: Fragen.
00:05:10: Manuela Freitag ist die dienstälteste Dominar in der legendären Herbertstraße, der berühmten Rotlichtstraße auf St.
00:05:16: Pauli seit den neunzehntreißiger Jahren durch Tore abgetrennt und für Frauen, Kinder und Jugendliche gesperrt.
00:05:22: Aktuell läuft im ZDF die dreiteilige Dogu-Reihe Herbertstraße Geschichte einer Dominar, die eben ihre Geschichte erzählt.
00:05:30: Meine Kollegin Johanna Dürholz hat mit Manuela Freitag gesprochen und ein sehr persönliches Gespräch geführt.
00:05:35: Johanna, schön, dass du da bist.
00:05:36: Willkommen im Podcast.
00:05:38: Hallo, Michael.
00:05:38: Vielen Dank.
00:05:39: Ich freue mich, dass ich hier sein darf.
00:05:40: Bevor wir jetzt ins Konkrete gehen, warum ist es dann so schwer, über Prostitution zu sprechen?
00:05:45: Jetzt reden wir auch noch öffentlich, obwohl wir hier zu zweit sitzen.
00:05:50: Und natürlich ist die Gefahr auch, dass man vielleicht beschönigt, vielleicht auch stigmatisiert.
00:05:55: Wie denkst du da drüber?
00:05:56: Ja, ich glaube, es ist immer eine Gefahr, über einen Beruf zu sprechen, deren Vertreterinnen man persönlich in der Regel nicht kennt.
00:06:04: Es ist ja auch keine besonders große Berufsgruppe.
00:06:07: Und es geht immer so ein bisschen darum, um diese Abwägung, traut man den Frauen die Entscheidung, Sexarbeit beruflich zu machen zu oder nicht?
00:06:15: Und dann weiß man gleichzeitig eben auch, dass es viele Frauen gibt, die es halt nicht freiwillig machen.
00:06:20: Und das ist eben ein schmaler Grad, auf dem man da wandert.
00:06:24: Und dann ist natürlich das Thema Sex allgemein oft noch ein Tabu.
00:06:28: Gibt es in der Sprache eine Besonderheit, wenn du über dieses Thema schreibst, also welche Begriffe nutzt du gerade, wenn wir über Prostitutionen reden?
00:06:36: Sexarbeit habe ich gelesen, also ja, kannst du uns da mitnehmen?
00:06:42: Also ich glaube Sexarbeit ist das, was viele Sexarbeiterinnen eben bevorzugen, weil sie eben sagen, das ist die Arbeit, die ich nachgehe und... Ich finde den Begriff Prostitution auch vollkommen in Ordnung.
00:06:52: Aber es gibt eben viele Begriffe, die gleichzeitig eine Sexarbeiterin in der Begrifflichkeit abwerten.
00:06:58: Und die sollte man vielleicht nicht verwenden.
00:07:00: Die meisten Sexarbeiterinnen, die ja vor dem Mikrofon gehen, vor die Kamera gehen, sind Aussteigerinnen und oft sind es so Erfolgsgeschichten.
00:07:09: So eine haben wir jetzt in unserem Fall auch.
00:07:12: Die anderen kommen selten zu Wort.
00:07:14: Gut oder schlecht für die Debatte?
00:07:15: Also, ich weiß gar nicht, ob das immer so Erfolgsgeschichten sind.
00:07:19: Naja, jetzt bei dem Fall von Manuela Freitag sehen wir irgendwie, die hat ein Buch über ihre Arbeit geschrieben, das ist verfilmt worden, jetzt ist natürlich schon eher eine Erfolgsgeschichte.
00:07:27: Okay, das habe ich überhaupt nicht so wahrgenommen tatsächlich.
00:07:30: Ich dachte so, Dienstältigste Dominar, Herbertstraße, das wird ein schlüpfriges Interview, das wird vielleicht ein Interview, in dem ich auch ein bisschen in die Facetten dieses Dominar... Berufsrein gucken kann.
00:07:42: und dann ging es aber um ihr Leben, das wirklich sehr bewegt war und das teilweise auch ganz traurige Abschnitte hatte, würde ich mal sagen.
00:07:50: Und es ist eine Erfolgsgeschichte, dass es ihr heute gut geht und dass ihr den Beruf immer noch freiwillig ausübt.
00:07:56: Aber sie sagt selbst, wenn es ihr als Kind anders ergangen wäre, wäre sie vielleicht doch gar keine Prostituierte geworden.
00:08:03: Wie war denn so die Atmosphäre, der Rahmen des Gesprächs?
00:08:06: Wie schnell wird man da vertraut genug, um auch über Dinge zu sprechen, über die das Gegenüber vielleicht nicht sprechen will oder erst mal ein bisschen Anlauf braucht.
00:08:16: Also ich habe das Gespräch eigentlich so mit ihr geführt, wie ich es mit allen Gesprächspartnerinnen und Interviewpartnerinnen führe, dass ich halt immer sage, wenn es irgendwas gibt, worüber ... du nicht sprechen willst oder sie nicht sprechen wollen, einfach immer sofort sagen, ich bin nicht beleidigt, das ist mein Job, weiter geht's.
00:08:31: Weil ich ja in meinem Beruf eben nicht irgendwie knallhart Politiker grille, sondern also in der Regel, manchmal natürlich schon, sondern in der Regel versuche ich halt irgendwie verschiedene Facetten der Gesellschaft zu beleuchten oder eben Menschen näherzukommen.
00:08:45: Und da muss man ein bisschen sensibler vorgehen.
00:08:48: Es war aber schon so, dass ich das Gefühl hatte, dass Manuela Freitag sehr klar war.
00:08:54: sehr klar den Rahmen direkt vorgegeben hat und über bestimmte Dinge einfach nicht sprechen wollte.
00:08:59: Zum Beispiel über Einzelheiten ihres Berufs.
00:09:03: Genauso wie sie bestimmte Emotionen gar nicht zugelassen hat.
00:09:06: Zum Beispiel, sich noch mal da hineinzufühlen, wie es für sie als kleines Kind war.
00:09:10: Sie meinte, es war total heftig, diese Doku über ihr Leben noch mal zu sehen.
00:09:15: Aber sie wollte sich da nicht noch mal hineinbegeben.
00:09:17: Ich hab sie auch gefragt, ob sie sich selber als Kind ... noch mal in den Arm nehmen wollte.
00:09:22: Weil ich hatte so das Bedürfnis, dieses Kind, das irgendwie nicht gewollt war und von den Pflegeeltern ins Kinderheim gereicht wurde, einfach zu trösten.
00:09:30: Und sie meinte, nee, das Bedürfnis hätte sie nicht gehabt.
00:09:33: Puh, okay.
00:09:35: Wir haben ein paar Urtöne dabei, die wir spielen können hier von Manuela Freitag.
00:09:40: Ich spiele mal gleich den ersten.
00:09:41: Damals vor achtzehn bin ich ja schon in das Milieu eingetaucht.
00:09:45: Und ich kann mich nicht erinnern, dass mich da einer gezwungen zu hat.
00:09:48: Ich habe mich selber dazu überwindet und wollte das.
00:09:52: Und heutzutage bzw.
00:09:54: jetzt bin ich über sechzig und ich möchte das immer noch weitermachen, weil das ist mein Verdienst.
00:09:59: Ich habe nichts gelernt im Leben.
00:10:01: Für mich würde es keine andere Alternative geben, was anderes zu arbeiten.
00:10:05: Und Rente konnte ich auch nicht wirklich einzahlen, weil ich da einfach zu kurz für Steuern bezahlt habe.
00:10:12: Ich frage mich, ob dann nicht auch... Zwischen den Zeilen hörbar ist, dass sie einfach gar keine Alternative hat, als in dem Job weiterzuarbeiten.
00:10:21: Zumindest keine Alternative, die ähnlich gut bezahlt ist, würde ich sagen.
00:10:25: Sie hatte in einem Lebensabschnitt auch mit Spielsucht gekämpft und sehr viel ihres Verdienstes auf der Spielbank gelassen, wie sie mir sagte, in den Dattelkasten gesteckt.
00:10:36: Dementsprechend muss sie natürlich auch einfach ein bisschen Geld jetzt verdienen, um für ihr Alter vorzusorgen.
00:10:42: Und ich glaube ... Wie sie selber sagt, als ungelehrte Kraft ist es schwer, einem anderen Beruf ähnlich viel zu verdienen.
00:10:48: Also
00:10:48: ich kann jetzt nicht sagen, dass ich in meinem Leben gezwungen wurde zur Prostitution.
00:10:53: Vor achtzehn war es halt nicht erlaubt.
00:10:54: Mit achtzehn war es geduldet.
00:10:56: Mit einundzwanzig war man damals volljährig.
00:10:59: Und ich habe es immer freiwillig gemacht.
00:11:01: Und in meiner Umgebung, wo ich gearbeitet habe, gab es keine Zwangsprostitution.
00:11:06: Ich arbeite in der Herbertstraße schon über dreißig Jahre und habe es wirklich nicht mitbekommen, dass da eine gezwungen wurde.
00:11:12: Ich habe es freiwillig gemacht und mache es, wie gesagt, freiwillig weiter.
00:11:16: Und wenn das nordische Modell kommt, dann würde alles unfreiwillig passieren.
00:11:21: Und dann wäre es ein Bezwing, dass man sich selber bezwingt und sagt, ich arbeite das jetzt und mache das weiter.
00:11:28: Das wird kriminell.
00:11:29: Ja,
00:11:29: ich frage mich, ist die Herbertstraße da so ein Sonderfall mit eigenen Regeln und mit Schutzmechanismen?
00:11:36: oder romantisieren wir das total oder romantisiert sie das vielleicht auch selbst?
00:11:41: Ich glaube, die Herbertstraße ist insofern vielleicht ein besonderer Ort, weil ja einfach sehr im Fokus der Öffentlichkeit steht und da ist es vermutlich.
00:11:50: wäre es auch schwierig, da irgendwie ins Dunkelfeld zu rutschen oder schmutzige Geschäfte zu betreiben.
00:11:54: Nicht, dass es da nicht welche gibt.
00:11:56: Das weiß ich jetzt natürlich nicht.
00:11:57: Ich kann da ja selber nicht rein.
00:11:59: Frauen sind da ja nicht erlaubt.
00:12:00: Aber ich kann mir vorstellen, dass eine so für Prostitutionen bekannte Straße vielleicht auch einfach unter behördlichen Auflagen arbeitet bzw.
00:12:11: eben auf dem Schirm der Behörden ist.
00:12:14: Dementsprechend kann ich mir vorstellen, dass es da tatsächlich so ist.
00:12:18: Gleichzeitig hat Manuela Freitag ja selber auch, wurde sie als Minderjährige auch eine gewisse Zeit von einem Zuhälter in einer Wohnung festgehalten und auch vergewaltigt und ihre Kollegen auch und musste für den arbeiten.
00:12:30: Sie hat selber gesagt, sie würde es nicht als Zwangspostitution bezeichnen, aber sie ist selber schon im Büro mit den illegalen Seiten dieses Berufs gekommen.
00:12:39: Also
00:12:39: die Sexarbeit für mich an sich ist natürlich ganz wichtig, weil ich in diesem Job arbeite.
00:12:44: Aber wenn das ein Verbot geben würde, wäre ich erst mal arbeitslos.
00:12:49: Jetzt besteht ja schon seit vielen, vielen Jahren die Erlaubnis, dass man das machen kann.
00:12:55: Aber früher war es halt so, dass es auch verboten passiert ist.
00:12:59: Und wenn man das jetzt verbietet, wird dabei die Prostitution nicht eingeschränkt.
00:13:04: Hat dich die Aussage überrascht?
00:13:05: Nee.
00:13:06: Sie hat ja auch gearbeitet, als Sexarbeiterin, bevor es legal war oder als es noch Sittenwidrig war.
00:13:12: Dementsprechend hat mich das gar nicht überrascht.
00:13:15: Sie kennt ja beide Seiten.
00:13:17: Das heißt nicht, dass ich gegen die Einführung eines nordischen Modells bin, aber aus ihrer Perspektive kann ich die Kritik daran gut verstehen.
00:13:23: Das
00:13:24: ist ja so ein bisschen die Frage, die grundsätzlich über einem schwebt.
00:13:27: Wenn jetzt so ein Sex-Kauf-Verbot kommt, wird dann der Schutz für die Frauen größer oder das Risiko noch größer, weil sich eben alles in die Heimlichkeit verschiebt,
00:13:36: ne?
00:13:37: Genau, das ist die große Frage, genauso wie ... eine der weiteren Fragen, die wahrscheinlich man nie beantworten kann, die immer schwer ist und wo es irgendwie immer auch die Frage ist, was trauen wir eigentlich Frauen zu, ist so die Frage der Freiwilligkeit.
00:13:50: Und ich hab, denke schon, dass, wenn es mehr männliche Sexarbeiter gäbe, die Diskussion eine andere wäre.
00:13:58: Weil es auch immer so ein bisschen mitschwingt so, die können das nicht für sich selber entscheiden.
00:14:02: Aber gleichzeitig gibt es eben auch immer wieder ganz junge Mädchen und Frauen, die da reingeraten, die es vielleicht wirklich noch nicht für sich selbst entscheiden können.
00:14:08: Und natürlich ist da auch die Definition von, wie freiwillig ist, was schwierig.
00:14:13: Ja,
00:14:13: genau.
00:14:13: Also, wann ist es eigentlich freiwillig?
00:14:15: Was sind eigentlich?
00:14:16: Was ist eigentlich mit sozialen Zwängen?
00:14:18: Was ist eigentlich mit Armut?
00:14:21: Es gibt ja oft, auch wenn man nur iller Freitag war, das ja einfach ein Weg, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
00:14:27: Sie war bis hierviel bei Pflegeeltern, ist dann in ein Kinderheim gekommen, dann in ein Erziehungshalm, wo sie mit zehn oder elf Jahren von einem Erzieher auch missbraucht wurde und ist dann mit zwölf eigentlich selbstständig in Bremen auf den Straßenstrich gegangen und in Autos gestiegen.
00:14:42: Und das sagt sie, hat sie freiwillig gemacht, weil sie immer für sich selber sorgen musste und sich immer ... selber Geld besorgen musste oder Glaubte besorgen zu müssen.
00:14:52: Sie erzählt doch, wie sie auch vorher als Kind im Kinderheim schon angefangen hat zu klauen, weil sie halt nie was Eigenes eigentlich hatte.
00:14:58: Und für sie ging es einfach darum.
00:15:01: dass sie so schnell viel Geld verdienen konnte, um sich Sachen zu leisten.
00:15:04: In jedem Fall auch schöne Sachen.
00:15:06: Die ist feiern gegangen, ihr war es wichtig, dass sie sich ihre eigenen Getränke kaufen konnte.
00:15:11: Die ist dann auf der Repa-Bahn dreimal ineinander ins Kino gegangen, hat sie erzählt, das fand sie toll.
00:15:17: Also auch so Lifestyle-Sachen, die aber auch ein gutes Leben ausmachen.
00:15:21: Und wenn man kein Geld hat, kann man nicht dreimal ins Kino gehen.
00:15:25: Hast du dich gefragt, wie es möglich ist, dass ein zwölfjähriges Mädel am Straßenstrich steht und das einfach
00:15:32: macht?
00:15:33: Ja, habe ich mich gefragt, habe ich sie auch gefragt.
00:15:36: Sie hat gesagt, sie hat da rumgehangen und sich angeschaut, wie die anderen Frauen da standen.
00:15:42: Sie meinte auch sehr viele junge Mädchen, viele von denen waren drogenabhängig.
00:15:47: Und dann hat sie die halt irgendwann einfach gefragt, was macht ihr da?
00:15:51: Wie läuft das ab?
00:15:52: Und dann haben die anderen Mädchen und Frauen ihr das erklärt.
00:15:55: Also ich glaube, dass da Minderjährige waren, das war eher in der Regel.
00:15:59: Und am Bremer Steintor war das.
00:16:00: Und die haben wir dann einfach erklärt.
00:16:02: Ja, pass auf.
00:16:03: Du musst immer als erstes das Geld fordern.
00:16:05: Und dann kannst du erst den Akt vollziehen.
00:16:07: Und so hat sie es dann auch gemacht.
00:16:09: Und sie meinte, es hätte sofort ein Auto angehalten bei ihr.
00:16:11: Sie war zwölf.
00:16:13: Und sie hat es genauso gemacht, wie die Kolleginnen es ihr empfohlen haben.
00:16:17: Boah, das ist ja wirklich schwer.
00:16:19: auszuhalten, der Gedanke, dass ein zwölfjähriges Mädchen einfach in ein Auto steigt.
00:16:25: Ihr habt ja dann in eurem Gespräch auch noch mal drüber gesprochen, warum sie das nordische Modell so strikt ablehnt.
00:16:31: Ich bin
00:16:31: absolut dagegen, dass die Gäste eine Strafe bekommen, wenn sie zu Prostituierten gehen, weil die Prostituierten ja auch dann kriminell werden, so oder so.
00:16:41: Und deswegen bin ich absolut dafür, dass es so bleibt, wie es ist.
00:16:45: Das ist für dich ein nachvollziehbarer Punkt, dass wenn die Freier kriminalisiert werden, dass die Frauen dadurch kriminalisiert werden?
00:16:55: Ich verstehe, was sie meint, ja, weil wenn sie das zwar anbieten dürfen, aber die Freier ist nicht annehmen dürfen, dann ja, dann können sie im Prinzip da sitzen und es ewig anbieten, aber sobald dann was vollzogen wird, begibt man sich auf die Seite der Illegalität.
00:17:13: Auch wenn das, was sie macht, nicht strafrechtlich verfolgt wird.
00:17:17: Sie ist quasi trotzdem irgendwie dabei.
00:17:20: Beziehungsweise, man hat auch nur die einzige Chance, das dann verdeckt, heimlich zu machen.
00:17:25: Und das fühlt sich definitiv kriminell an,
00:17:28: ne?
00:17:28: Genau, das war auf jeden Fall ... Das kann ich mir auch gut vorstellen, dass das noch mal ein Rückschritt ist für Frauen, die Sexarbeit eben auf die ... Selbstbewusste und emanzipierte Art und Weise machen wie manuela freitag es tut, weil die ja sich auch schon früher immer auch schon in talk shows gesetzt hat und gesagt hat ich bin prostituierte in Zeiten in denen das noch vollkommen gesellschaftlich stigmatisiert war und überhaupt nicht anerkannt war.
00:17:52: und es ist ja eigentlich ein fortschritt dass wir heute darüber reden können und mit den sechserbeiterinnen sprechen können fragen können was braucht ihr und wie seht ihr das?
00:18:00: Und dass die auch selbstbewusst sagen können, das ist mein Job und ich mach den.
00:18:03: Irgendwann
00:18:03: ist die Entscheidung gekommen, dass die Prostitution legalisiert wird.
00:18:07: Wir sollen Steuern zahlen, was wir auch machen.
00:18:09: Es bleibt uns nichts anderes übrig.
00:18:12: Und jetzt ist im Gespräch, dass das nordische Modell sich durchsetzt.
00:18:16: Bin ich überhaupt nicht mit einem verstanden.
00:18:18: Was soll das?
00:18:18: Die Politiker können sich überhaupt nicht dahin versetzen, was das für uns bedeutet.
00:18:22: Es sind irgendwie für mich neue Regeln, die gemacht werden müssen, weil da vielleicht zehn Leute sind, die damit einfach nicht...
00:18:30: Also ich finde, sie hat da schon einen Punkt, wenn sie sagt, die Politiker und ja übrigens auch du und ich, wenn man ehrlich ist, können sich da nicht reinversetzen, weil niemand von uns und genauso wenig die Politiker oder Politikerinnen diesen Job hier ausgeübt haben oder auch sich nur einigermaßen mit der Szene oder der Branche auskennen.
00:18:48: Das ist schon so, wenn man da selber nie drin war, kann ich mir vorstellen.
00:18:52: dass das schwer ist, das nachzuvollziehen.
00:18:54: Andererseits ist das natürlich auch der Job von Politikern.
00:18:57: Die haben ja auch ganz viele andere Jobs noch nie gemacht und wissen vielleicht nicht so ganz, wie es ist.
00:19:01: Und die müssen ja immer fürs Volk irgendwie sprechen und fürs Volk Sachen tun und Gesetze entwerfen.
00:19:07: Von daher, ich glaube nur, daraus spricht halt so ein Urgefühl von vielen Sexarbeiterinnen, die immer am Rand der Gesellschaft irgendwie stehen und standen, dass man sie halt nicht versteht und dass man sie vielleicht auch nicht ernst genug nimmt.
00:19:19: Aber meinst du nicht, dass sich ... Eigentlich nur, was dadurch ändern kann, dass wir eben ja das Ganze wirklich legal in der Mitte der Gesellschaft verankern, weil diese Angst kommt ja auch daher, dass es immer entweder verboten, verrucht oder gegen Gottes Wille war, wenn man auf die Zeit guckt, als die Kirche da auch noch wesentlich größeren Einfluss hatte.
00:19:45: Ja, das finde ich einen guten Gedanken und auch einen schönen Ansatz.
00:19:48: Ich glaube halt nur leider, dass es immer den krassen Kontrast der Realität gibt.
00:19:54: Also in der Realität ist es zum Beispiel auch einfach oft so, dass junge Frauen da reinrutschen, weil sie kein Geld haben, weil sie aus armen Verhältnissen kommen, aus einer Hartz-Wir-Familie und selbst wenn sie dann arbeiten müssen, sie dann ganz viel abgeben an die Familie.
00:20:09: Aber ich glaube, es gibt eben immer wieder Fälle, die auch zeigen.
00:20:13: wie viel da trotzdem im Dunkeln passiert, wie viel da trotzdem auch mit Unfreiwilligkeit passiert, wie viel Frauen das eben nicht freiwillig machen und wirklich auch gar nicht freiwillig und auch junge Mädchen.
00:20:25: Und es ist ja gerade schon legal.
00:20:27: Und trotzdem haben wir so ein großes Dunkelfeld, was die Illegalität angeht.
00:20:31: Also es gibt keine genauen Zahlen dazu.
00:20:34: Man darf auch nicht aufhören, darüber zu sprechen.
00:20:36: Man muss auch über diese Schatten sein sprechen.
00:20:37: Man muss auch darüber sprechen, dass es auch Frauen und Mädchen gibt, denen es da ganz schlecht geht und die dazu gezwungen werden.
00:20:45: Aber gleichzeitig ist es natürlich wichtig, so viel wie möglich davon im Helden zu haben, im Helfeld zu haben, damit man darüber reden kann und es auch enthabilisieren kann.
00:20:55: Und dass es eben Sexarbeiterinnen gibt, die das selbst bestimmt machen.
00:20:59: Ich glaub, dann ist halt eher die Frage, ob man den Beruf halt allgemein ... haben möchte oder nicht.
00:21:04: Also da habe ich jetzt persönlich überhaupt keine Haltung zu.
00:21:08: Aber jetzt unabhängig von Kirche kann man ja sagen, wie finden wir das eigentlich, dass man seinen Körper gegen Geld verkaufen kann?
00:21:16: Ich habe da ehrlich gesagt keine abschließende Beinung zu.
00:21:19: Ich finde es total schwierig, weil sobald man sich für einen Punkt für die eine Seite aussucht, fallen einem zwei Punkte auf der Gegenseite rein und andersrum vielleicht auch.
00:21:28: Ja, aber ich habe auf jeden Fall großen Respekt.
00:21:32: gegenüber Sexarbeiterinnen wie Manuela Freitag, die so offen darüber sprechen, wie sie erstens in den Beruf gefunden haben.
00:21:40: Das erzählt sie in dieser Dokumentation und auch im Interview eben sehr frank und frei, die aber auch darüber sprechen, dass eben auch Frauen gibt, die das eben freiwillig machen und die sich da so zeigen.
00:21:52: trotz des gesellschaftlichen Stickmas, dass laut Manuela Freitag besser geworden ist, aber sie sagt, es ist immer noch so, dass manche Menschen auf Sexarbeiterinnen herabschauen.
00:22:03: Herabschauen ist ein guter Punkt, weil ich mich gefragt habe.
00:22:08: Also ich finde diese Aussage von Julia Klöckner, wir sind das Puff Europas, die hört sich ja so ein bisschen despektierlich an.
00:22:16: Vielleicht braucht es die aber auch genauso, um da so viel Aufmerksamkeit rein... zu bekommen, weiß ich nicht.
00:22:24: Wie findest du das denn?
00:22:26: Also ich find's gut, dass die darüber sprechen wollen.
00:22:29: Also es gibt jetzt gerade mehrere Unionspolitikerinnen, die das irgendwie auf die Agenda gesetzt haben und ich find's gut, dass Julia Klöckner das Thema auf die Agenda setzt.
00:22:37: Ich finde, diese Effekt hascherische Sprache überhaupt nicht zielführend.
00:22:42: Ich find's auch ein bisschen despektierlich gegenüber den, keine Ahnung, dreiunddreißigtausend Sexarbeiterinnen oder legalen Prostituierten in Deutschland.
00:22:50: Das ist einfach kein Ausdruck, den man benutzen muss, meiner Meinung nach.
00:22:53: Aber vielleicht ist es sich auch so rausgerutscht.
00:22:55: Vielleicht war auch gut für die Überschrift.
00:22:57: Ja, ja, wahrscheinlich.
00:23:00: Gut.
00:23:01: Damit sind wir jetzt am Ende angelangt.
00:23:03: Ich danke dir für das Gespräch.
00:23:04: Vielen Dank.
00:23:09: Von der persönlichen Geschichte von Manuela Freitag wechseln wir jetzt in die politische Einordnung.
00:23:13: Dazu habe ich meine Kollegin Annalena Ribberger aus der Politik Redaktion eingeladen.
00:23:17: Sie hat viel zu dem Thema recherchiert und einen Leitartikel zu dem Thema geschrieben, den wir natürlich auch in den Schaunots verlinken.
00:23:23: Hallo Lena, schön, dass du da bist.
00:23:24: Hallo Michael, danke für die Einladung.
00:23:26: Die Debatte, die Julia Klöckner angestoßen hat, lässt das politische Berlin ja nicht mehr los.
00:23:31: Schwählt die da jetzt so langsam vor sich hin oder flammt die richtig auf
00:23:34: nochmal?
00:23:34: Also die Debatte über die Prostitution oder den Sexkaufverbot, über die Regelung in Deutschland, die mehr andert immer so ein bisschen.
00:23:41: Gibt so Wellen, kommt immer wieder hoch.
00:23:44: Und jetzt haben wir wieder mal so einen Punkt erreicht, wo die aufbricht.
00:23:48: Ob Frau Glöckner das wirklich bewusst gemacht hat, müssen wir vielleicht offenlassen an der Stelle.
00:23:54: Es ist auf jeden Fall klar, dass viele Unionsfrauen schon eine ganze Weile an dem Thema dran sind und sich auch einfach dafür einsetzen, dass es da eine Veränderung in der Gesetzeslage gibt.
00:24:02: Es gibt auch Kritik an der Wortwahl von Julia Klackner.
00:24:05: Wie siehst du das denn?
00:24:06: Die Schwierigkeit ist, dass dieses Narrativ vom Bordell oder vom Puff Europas, dass es sehr schwer mit Zahlen zu belegen ist.
00:24:12: Es suggeriert halt, dass Deutschland ein großes Problem habe im Bereich Prostitution.
00:24:16: Und ich persönlich oder auch viele, die zu dem Bereich arbeiten würden, auch nicht verneinen, dass es Schwierigkeiten gibt, dass es ein ganz heikler Bereich ist, der reicht von Straßenprostitutionen, von Minderjährigen, die sich prostituieren, auch oft aus
00:24:30: Suchtgründen.
00:24:32: bis hin zu Leuten, die das aus einer eigenen Aussage selbstbestimmt machen.
00:24:36: und dieses Feld zu fassen zu kriegen, ist einfach wahnsinnig schwer.
00:24:40: Was das Narrativ vom Bordell oder Puff Europas halt so schwierig macht, ist, dass es so was in den Raum stellt, was man irgendwie schwer belegen kann.
00:24:46: Aber es wirkt gleichzeitig sehr drastisch.
00:24:48: Und das finde ich persönlich problematisch, weil es nicht so richtig hilft, das Problem dahinter zu fassen zu kriegen.
00:24:56: Du hast es schon gesagt, du weißt nicht genau, ob das Absicht war von Julia Klackner.
00:24:59: Aber warum kommt denn oder warum kocht die Debatte da jetzt noch mal so hoch?
00:25:04: Also
00:25:04: es gibt in der Union oder bei den Unionsfrauen vor allem gibt es natürlich schon den starken Wunsch, da was an der Gesetzeslage zu ändern und Richtung nordisches Modell zu kommen.
00:25:13: Die Schwierigkeit ist, dass es bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD darauf
00:25:17: keine...
00:25:18: Einigung gab.
00:25:19: Also das konnte man nicht reinverhandeln.
00:25:21: Es gibt aber Beschlüsse sowohl des Parteitags als auch in der Fraktion bei der Union, die einfach klar machen, wir wollen das nordische Modell.
00:25:29: Und jetzt ist die Frage, wie kommt man da hin, wenn man den Koalitionspartner nicht im Boot hat?
00:25:33: und wie kann man vielleicht auch eine Öffentlichkeit erzeugen?
00:25:37: Dafür ist, glaube ich, jetzt die Rede von Frau Glockner hilfreich.
00:25:40: Und die nächsten Wochen werden vielleicht zeigen, wie weit man dieses Thema noch spielen kann.
00:25:43: Neudisches Modell müssen wir noch mal kurz erklären.
00:25:45: Genau, das ist ein von Schweden erdachtes Modell, das die schon seit den neunziger Jahren haben, in dem Sexkauf verboten ist, aber die Prostitutionen, also die Prostitierten das legal anbieten können.
00:25:57: Den
00:25:57: Freien ist es verboten und wird auch geahndet, aber die Frauen ... werden nicht kriminalisiert.
00:26:01: dadurch.
00:26:02: Genau.
00:26:02: Mit der Einschränkung, dass auch Beihilfe zur Prostitution, also zum Beispiel die Vermietung von Zimmern, gehandelt werden kann.
00:26:08: Was das Ganze ein bisschen mit einem Fragezeichen versehen lässt, weil dann die Frage ist, wie wenig man die Frauen treffen kann, wenn man auf die Freie abzielt.
00:26:16: Schauen wir nochmal auf den aktuellen Stand.
00:26:18: Du hast für diesen Podcast mit Tillmann Barc telefoniert.
00:26:20: Er ist Projektleiter am Kriminalologischen Forschungsinstitut in Niedersachsen.
00:26:25: Und die haben sich in der Evaluation das Prostitiertenschutzgesetz nochmal genauer angeschaut.
00:26:30: Als die damals große Koalition des Prostituiertenschutzgesetzes beschlossen hat, das trat dann in Kraft, haben sie auch schon beschlossen, dass es evaluiert werden sollte, um die Fortschritte wissenschaftlich begleitet zu untersuchen.
00:26:44: Diese Evaluation wurde im Sommer vorgelegt.
00:26:47: Im Mittelpunkt stand damals die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen in der Prostitution zu stärken und zu schützen.
00:26:54: Und es sollte ihre Gesundheit auch besser schützen, die Arbeitsbedingungen verbessern, weil man gemerkt hat, dass man allein mit den bisherigen Gesetzen und den Liberalisierungen nicht richtig weitergekommen ist.
00:27:04: Auch die Bodellbetreiber wurden damit stärker in die Pflicht genommen.
00:27:07: Wir hören mal kurz, was Herr Bartstadt dazu sagt.
00:27:10: Zum einen wurde ein Erlaubnisverfahren geschaffen für Prostitutionsgewerbe treibende, wird also geprüft, sind das Menschen, die schon mal vorbestraft waren, sind das Menschen, die zuverlässig sind und die an solches Gewerbe auch führen können.
00:27:21: Und zum anderen wurden verschiedene Vorschriften erlassen, die dann im Einzelnen die Arbeitsbedingungen für Prostituierte verbessern sollen, beispielsweise, dass in allen Räumen von Prostitutionsgewerbe betrieben dann sogenannte Notfallknöpfe vorhanden sein müssen, damit falls ein Kunde übergriffig wird, die Prostituierten Schnellhilfe holen können.
00:27:41: Eine Sache muss man zur Studie noch sagen.
00:27:43: Die Forscher haben siebentausend Leute aus dem Bereich Prostitution befragt, unter anderem mehr als zweitausend Prostituierte und da auch gezielt Frauen und Männer, die bisher nicht am Andemeldeverfahren teilnehmen.
00:27:57: Was insofern wichtig ist, weil auf der Vorwurf kommt, ja, da werden ja sowieso nur Leute abgebildet, für die Sexarbeit irgendwie okay ist und für die das eine Art Beruf ist und gar nicht die, die eigentlich in den sehr prekären Bereichen der Prostitution tätig sind.
00:28:12: Du hast denen auch dazu befragt, was aus der Sicht der Studie gut läuft und was nicht so gut läuft, was sind da die wichtigsten
00:28:16: Punkte?
00:28:17: Das Anmeldeverfahren, was eingeführt wurde, das bewerten viele als positiv mit der Beratung, auch die Aufklärung darüber, welche Rechte man hat, welche Hilfen man bekommen kann, das ist was, was gut läuft.
00:28:28: Auch die Informationen zum Gesundheitsschutz, die werden als positiv bewertet, was tatsächlich nicht so gut läuft, ist, dass die Behördenmitarbeiter sich nicht in der Lage sehen, Fälle von Menschenhandel zu erkennen, auch weil sie dafür offenbar nicht gut genug geschult wurden bis jetzt.
00:28:43: Was heißt es nicht gut genug
00:28:44: geschult?
00:28:45: Also, Menschenhandel ist natürlich eh ein heikler Bereich.
00:28:47: Oft ist man auf Opfer-Aussagen irgendwie dann angewiesen.
00:28:50: Leute, die müssten sich einem offen bahnen.
00:28:52: Und in den Behörden haben die Leute einfach Schwierigkeiten, wenn Prostituierte beschreiben, wie sie arbeiten, dann den nächsten Schritt zu gehen und zu sagen, hoppla.
00:29:00: Hier kommt mir nicht ganz koscher vor, wie könnten wir da weitermachen?
00:29:05: Überhaupt diese Unterscheidung zu treffen, hier ist alles ganz normal oder hier könnte ein Fall von Menschenhandel vorlegen, das fällt den Leuten schwer.
00:29:12: Es gibt noch eine weitere Schwachtdelle, die betrifft die Prostitutionsgewerbe und die Frage, welche bereits an dem Anmeldeverfahren teilnehmen und welche nicht.
00:29:20: Das ist jetzt also tatsächlich so, dass wir inzwischen über zweitausend Prostitutionsgewerbebetriebe in Deutschland haben.
00:29:27: die dieses Verfahren durchlaufen haben, wo dann also von den Behörden auch intensiv dann geprüft worden ist, wer betreibt denn eigentlich dieses Gewerbe?
00:29:35: Da haben sich tatsächlich auch die Arbeitsbedingungen für Prostituierte verbessert.
00:29:40: Es gibt allerdings auch einen Teil, der sich bisher diesem Erlaubnisverfahren entzieht.
00:29:45: Das ist sicherlich eine Schwäche noch in der Umsetzung dieses Gesetzes.
00:29:48: Da wird man doch vermehrt irgendwie noch drauf achten müssen.
00:29:52: dass tatsächlich auch alle Prostituierungsgewerbebetriebe dann in Zukunft sich diesem Erlaubnisverfahren stellen.
00:29:58: Und was das Anmeldeverfahren betrifft, gibt es auch noch einen anderen wichtigen Punkt, auf den Tilman Bartsch aufmerksam
00:30:03: macht.
00:30:03: Dann muss man auch sehen, es gibt eine unbestimmte Zahl von Prostituierten, die bisher nicht am Anmeldeverfahren teilnehmen.
00:30:11: Da wird man an den Gründen arbeiten müssen, wie dafür maßgeblich sind, dass die Menschen nicht am Anmeldeverfahren teilnehmen.
00:30:18: Das ist die größte Angst.
00:30:19: der Menschen ist, dass die Daten dort nicht sicher sind und das über die Anmeldung herauskommen könnte, dass sie in der Prostitution tätig sind.
00:30:28: Man muss wissen, dass Prostitutionen immer noch eine erhebliche Weise stigmatisierte Tätigkeit ist.
00:30:36: Und das bedeutet beispielsweise, hat sich in unserer Untersuchung gezeigt, dass thirty-three Prozent der Menschen, die in der Prostitution tätig sind, noch nicht mal ihre eigenen Familie oder aber dem engsten Bekanntenkreis davon berichten, dass sie in der Prostitution tätig sind.
00:30:52: Das heißt also, diese Menschen führen ein Doppelleben.
00:30:54: Und natürlich haben die eine Wahnsinn die Angst davor, dass sie jetzt, wenn sie da in einem solchen Anmeldungsverfahren sind, dass sie gegebenenfalls, dass die Daten dort nicht sicher sind oder das sonst irgendwie offenbar werden könnte, dass sie in der Prostitution tätig sind.
00:31:07: Das heißt, wir werden da also beim Datenschutz in ganz erheblicher Weise nachjustieren müssen.
00:31:13: Dieses Nachjustieren soll jetzt in einer Kommission geschehen, die am vierundzwanzigsten November nach unserem Informationsstand vom Familienministerium eingesetzt werden soll.
00:31:23: Die soll sich jetzt mit der Evaluation eingehender beschäftigen und auch mit möglichen Alternativen, die jetzt ja auch schon im Raum stehen, etwa mit dem nordischen Modell, das wir schon
00:31:32: angesprochen haben.
00:31:33: Ja, die große Frage ist ja wirklich, schafft es wirklich Schutz oder wird alles einfach noch viel schlimmer, weil dann ganz viel im Verborgen stattfindet, oder?
00:31:40: Ja, das ist, glaub ich, die große Frage in dieser Debatte und auch die, die es schwierig macht, denn man wird ja schwer zwei Modelle unter Laborbedingungen vergleichen können, sondern man kann nur Abwägungen treffen, man kann sich andere Länder anschauen und die Erfahrungen, die die gemacht haben, die Studienlage ist einfach sehr unterschiedlich, was Vor- und Nachteile des nordischen Modells betrifft.
00:31:59: Belgien geht jetzt zum Beispiel einen ganz anderen Weg da.
00:32:02: haben die Prostituierten immer mehr Rechte und sind krankenversichert und haben Anspruch auf Mutterschutz.
00:32:08: Die gehen auch noch mal einen anderen Weg.
00:32:09: Dann kann man sich einfach anschauen oder muss man sich genau anschauen.
00:32:14: Welche Ziele kann man mit welchen Maßnahmen am besten erreichen?
00:32:17: Das ist eine schwierige Frage.
00:32:20: Will man den Menschenhandel vor allem bekämpfen?
00:32:22: Will man die Bedingungen der Prostitution verbessern?
00:32:24: Will man Prostitution an sich ... Reduzieren?
00:32:27: will man, dass ein Signal in die Gesellschaft reingeht.
00:32:29: Wir finden es nicht okay, wenn Menschen ihren Körper verkaufen.
00:32:32: Da muss eine Klärung in der Gesellschaft stattfinden.
00:32:35: Gibt es schon Erfahrungen mit dem Nordischen Modell, die damit rein spielen können?
00:32:40: Die gibt
00:32:40: es auch zum Teil umfangreich.
00:32:42: Die weisen in unterschiedliche Richtungen.
00:32:45: Es gibt Studien, die sagen, die Gewalt gegen Frauen steigt mit dem Nordischen Modell.
00:32:49: Auch häuslicher Gewalt.
00:32:51: Dann kann man alles nur von Hinweisen sprechen.
00:32:55: Studien, die belegen, dass die offene Prostitution, die Straßenprostitution deutlich zurückgeht, dass sie sich aber viel ins Internet verlagert.
00:33:01: Es gibt auch Hinweise darauf, dass Frauen stärker kriminalisiert werden, wenn die freier kriminalisiert werden.
00:33:08: Es gibt aber auch in Ländern wie jetzt etwa in Frankreich, die das ja erst vor kürzerer Zeit eingeführt haben, auch eine hohe Akzeptanz.
00:33:13: Also die Studienlage ist sehr divers.
00:33:15: Es
00:33:16: bleibt kompliziert.
00:33:17: Was denkst du denn, was die wichtigsten Schritte sind, die jetzt zu gehen werden?
00:33:21: Das Wichtigste ist diesen ... Datenschatz, der in meiner Meinung nach in dieser Evaluation liegt, den jetzt auszuwerten und zu heben und sich auch dran zu erinnern von allen Seiten, dass es einfach sehr viele Menschen, sehr verschiedene Menschen unterschiedlichen Hintergrunds von diesem Gesetz betroffen sind oder überhaupt von Änderungen im Bereich Prostitutionen betroffen sein können.
00:33:42: Und da ohne Scheuklappen drüber zu reden, was sind Vorteile, Nachteile, Chancen, was bringt uns das nordische Modell, was kann es vielleicht nicht leisten?
00:33:51: Denn wir werden ja nicht gleich in paradiesische Zustände ohne Menschenhandel und ohne Gewalt gegen Prostituierte oder ohne Prostitution überhaupt springen, nur weil wir irgendwie das Modell ändern.
00:34:03: Das muss man sich, glaube ich, bewusst machen und einfach genau abwägen, wo will man Schwerpunkte setzen?
00:34:07: Was denkt auch die breite Gesellschaft darüber?
00:34:11: Und wenn es eine Mehrheit gäbe für ein nordisches Modell?
00:34:13: Müsste man natürlich auch prüfen, wie kann man das umsetzen?
00:34:16: Du beobachtest für uns dieses Thema weiter.
00:34:18: Vielen Dank für das Gespräch, Lena.
00:34:19: Danke für die interessanten Fragen.
00:34:24: Das war es für heute im FAZ-Podcast für Deutschland.
00:34:27: Die Debatte ist mal wieder im Gang und die Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes zeigt, es gibt Potenzial, aber auch Lücken.
00:34:35: Ich stelle mir nach wie vor die Frage, ob Verbote am Ende schützen oder sogar die Risiken erhöhen.
00:34:40: Schreiben Sie uns gerne, wie Sie das sehen.
00:34:42: Sehen Sie der Meinung, es sollte alles so geregelt bleiben, wie es ist?
00:34:45: Sehen Sie klar die meisten Vorteile beim nordischen Modell?
00:34:48: Oder haben Sie eine ganz andere Idee?
00:34:50: Schreiben Sie uns gerne an podcastetfaz.de.
00:34:53: Jetzt möchte ich gerne noch kurz mit meiner Kollegin Marie Lühnstein sprechen.
00:34:56: Sie arbeitet gerade an der neuen Folge von FAZ Machtprobe.
00:34:59: Hallo
00:35:00: Marie.
00:35:00: Hallo, Michael.
00:35:01: Du
00:35:01: hast mit einer in Anführungszeichen alten Bekannten ein Gespräch über ihren neuen Job geführt.
00:35:06: So ist es.
00:35:07: Und zwar habe ich jetzt seit Monaten, muss man wirklich sagen, hingegraben an Annalena Baerbock, unsere ehemalige Außenministerin, die ja seit September Präsidentin der UN Vollversammlung in New York ist, um eben einen Interviewtermin mit ihr zu bekommen.
00:35:20: Und jetzt diese Woche hat es endlich geklappt und das können unsere Hörer morgen in der Machtprobe
00:35:25: hören.
00:35:26: Und was war für dich das Highlight des Gesprächs?
00:35:28: Ja, also wir haben natürlich so verschiedene Sachen besprochen.
00:35:31: Ich sag mal, der most juicy Part ist natürlich der, wo ich sie angesprochen habe auf ihren Social-Media-Auftritt.
00:35:38: Sie hat ja sehr umstrittene Instagram-Videos gemacht, wo sie sich teilweise in High-Heels, teilweise beim Bagel kaufen in New York zeigt, zu Musik von Sex in the City und Gossip Girl.
00:35:50: Und da hat sie ja nicht nur positive Rückmeldungen drauf bekommen.
00:35:53: Und da hören wir mal kurz in einen O-Ton rein, was sie mir dazu gesagt
00:35:57: hat.
00:35:57: Diejenigen, die jetzt sagen,
00:35:58: warum macht die da so bunte Clips?
00:36:00: Haben alle Clips dazwischen,
00:36:02: wo es Redausschnitte
00:36:02: gab, ganz
00:36:04: sicher nicht
00:36:04: gelesen
00:36:05: und
00:36:06: gehört.
00:36:06: Also daher nehme ich diese Kommentare auch immer etwas mit Humor.
00:36:10: Und muss immer wieder auch feststellen, dass es insbesondere manche Akteure des männlichen Geschlechts sich daran reiben, dass sie selber vielleicht keine
00:36:18: Highheels
00:36:18: tragen können.
00:36:19: Weil wenn man sich über Highheels empört, frage ich mich, ob man sonst keine
00:36:22: Probleme hat.
00:36:23: Hört sich auf jeden Fall nach einem lustigen Gespräch an.
00:36:26: Ja, wir hatten irgendwie einen ganz guten Flow, aber ich hab sie natürlich auch die kritischen Fragen gefragt zu den Vereinten Nationen, die ja an ihrem achtzigsten Geburtstag, der diesen Herbst gefeiert wird, in einer überhaupt nicht leichten Situation sind.
00:36:37: Wir haben mehrere Sicherheitsratsmitglieder, die wirklich alles blockieren, was die Vollversammlung so an Resolutionen beschließt.
00:36:45: Und außerdem gibt's noch Donald Trump, der den Vereinten Nationen gerade im Begriff ist, die Lebensgrundlage, also Finanzierung zu entziehen.
00:36:51: Das sind natürlich alles Sachen, mit denen sich Annalena Baerbock in ihrem Alltag auch auseinandersetzt.
00:36:55: und ich wollte von ihr wissen, wie viel Sinn macht es überhaupt noch, diese Vereinten Nationen unter diesen Voraussetzungen zu haben?
00:37:01: Oder kann das weg?
00:37:03: Und ich fand, da hat sie sehr gute Antworten drauf gegeben und auf die dürfen sich unsere Hörer morgen freuen.
00:37:08: Vielen, vielen Dank, Marie, für den kleinen Einblick.
00:37:09: Ich lasse dich mal weiterarbeiten.
00:37:10: Ciao.
00:37:11: Ciao.
00:37:12: Die FAZ macht Probe, kommt wie immer morgen am Samstag früh.
00:37:15: Ich höre auf jeden Fall rein.
00:37:16: Marie hat tatsächlich auch mir noch nicht mehr verraten außer diesem kleinen Audioschnipsel.
00:37:20: Am Montag begrüßt sie dann, wie gewohnt, die geschätzte Kollegin Corinna Budras aus der Hauptstadt.
00:37:25: Danke fürs Zuhören.
00:37:27: Danke auch an meine Kollegin Sandra Klüber, die mich bei dieser Folge und durch die Woche begleitet hat.
00:37:32: Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
00:37:33: Machen Sie es gut!