F.A.Z. Podcast für Deutschland

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00:00:04:

00:00:15: Ja, wenn Sie hier hören, das ist unser Korrespondent in China, Gustav Teile.

00:00:20: Der hat eine große Recherche, Reportage gemacht in einem kleinen Ort in Ost-China in Anping, der Stadt der Zäune, so kann man sie nennen.

00:00:29: Warum?

00:00:30: Das erzählte uns heute im FAZ Podcast für Deutschland und nimmt uns und Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, im übertragenen Sinne mit in eine ganz andere Welt, in der sich wortwörtlich alles um ein einziges Produkt dreht, um Zäune.

00:00:44: Wo die überall zu finden sind, sie werden staunen.

00:00:47: Wir sprechen auch darüber, ob China auch bei anderen Produkten auf diese Strategie der monothematischen Städte setzt.

00:00:54: Und wenn ja, warum?

00:00:56: Und am Ende ordnet unser Wirtschaftsherausgeber Gerald Braunberger das Ganze noch einmal etwas größer ein, schaut auf die weltwirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge.

00:01:06: Ich freue mich auf diese Geschichte heute, zu der es auch ein großes Storytelling gibt, das ich Ihnen natürlich gerne in die Show Notes hänge.

00:01:12: Und damit Hallo und herzlich willkommen heute am vierten Dezember.

00:01:16: Ich bin Katrin Jakob und freue mich, dass Sie dabei sind.

00:01:27: Ja, und jetzt bin ich schon verbunden mit unserem China-Korrespondenten Gustav Teile, der uns von seiner Recherche in der, ja, zumindest für chinesische Verhältnisse kleinen Stadt Anping im Osten des Landes erzählt.

00:01:39: Hei, ich grüße dich.

00:01:40: Hei, Katrin.

00:01:41: Ja, Gustav, was ist das Besondere an dieser Stadt?

00:01:45: Also ... Die ganze Stadt beschäftigt sich mit Stacheldrahten und Zäunen und jeder Art von Drahtgitter, was man sich so vorstellen kann.

00:01:55: Also wenn man zu Hause im Zaun stehen hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr, sehr hoch, dass der aus dieser Stadt anping ein paar hundert Kilometer entfernt von Peking kommt, wenn man irgendwo Stacheldraht hat, wenn man Wenn man einen Hund in einem Hundenzwinger hat, die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass die Produkte in dieser Stadt gefertigt wurden.

00:02:17: Vor Ort sagen sie, siehzig bis achtzig Prozent der globalen Produktion für alle Drahtnetze oder wie auch immer man das übersetzen will, kommen aus dieser Stadt.

00:02:29: Und selbst wenn man da zehn Prozentpunkte abzieht, weil sie halt irgendwie lokalpatriotisch das optimistisch gerechnet haben, ist das immer noch ein sehr, sehr hoher Anteil am Weltmarkt für irgend so ein chinesisches Kaff mit drehunderttausend Einwohnern.

00:02:45: Wie viele Unternehmen gibt's denn da?

00:02:48: Im lokalen Industriemuseum war die Rede von fünfzehntausend Unternehmen, die sich mit dieser Branche beschäftigen.

00:02:56: Also das sind nicht alles Fabriken, sondern es sind dann irgendwelche Händler auch und so weiter, aber fünfzehntausend eingetragen Unternehmen.

00:03:04: die in der Branche aktiv sind.

00:03:06: Vor Ort sagen sie zweihundertzehntausend Arbeitsplätze in einer Stadt mit dreihunderttausend Einwohnern, die sich nur mit diesen Zäunen beschäftigen.

00:03:17: Wie muss man sich das denn vorstellen?

00:03:18: Wie sieht denn Anping aus?

00:03:21: Also Anping sieht wie jede chinesische Kleinstadt, wenn man die mal gesehen hat, aus.

00:03:27: Also das sind... ziemlich gut ausgebaute Straßen rechts und links, mehr oder weniger gut ausgebaute Bürgersteig, da legen sie immer nicht so viel Wert drauf.

00:03:38: Die Leute laufen dann häufig auch einfach am Straßenrand und da steht dann einfach eine Fabrik nach der anderen, eine Fabrik neben der anderen und dazwischen immer nur natürlich ein Zaun.

00:03:48: Ehrlich, oder?

00:03:49: Also das ist und und dort sieht man da auch eigentlich nicht so viel, nur halt irgendwelche Museen noch, die die Drahtgitter ausstellen.

00:03:58: dass man damit alles schönes machen kann.

00:04:00: Es gibt noch eine kleine Messehalle.

00:04:02: Aber es dreht sich alles, alles, alles um diese Zäune.

00:04:05: Es ist einfach ein kurioser Ort.

00:04:08: Ja,

00:04:09: gibt es auch so was wie Denkmäler.

00:04:11: Also so ein Zaun stolz.

00:04:12: Also ist man da auch stolz auf dieses Business?

00:04:15: Ja, also in diesem Museum sieht man das ganz, ganz doll, wie unglaublich stolz die auf all das sind, was sie da herstellen.

00:04:23: Es gibt einen eigenen Raum, in dem es nur um Kunst geht, um alles Schöne, was man mit Drahtgitter anstellen kann, irgendwelche... Figuren stehen dann dort, aber auch Netzhämpfen und natürlich ein Mao Zedong gefertigt aus Draht, also alles, was man sich so vorstellen kann.

00:04:42: Wir haben ein Foto auch mitgebracht, da haben sie eine Weltkugel gebaut und die steht dann irgendwie am Straßenrand in irgendwie zehn, zwölf Meter Höhe und ragt so ein bisschen über die Stadt.

00:04:54: Es geht alles, alles, alles in dieser Stadt um Zäune und Stachhydrate.

00:05:00: Du warst ja auch in einer oder mehreren dieser Fabriken.

00:05:04: Nimm uns doch mal mit.

00:05:06: Genau, also wir waren insgesamt in drei Fabriken, die mit Abstandsbanste war eine Fabrik, die Stacheldraht, Naturdraht hergestellt hat, also vor allen Dingen für Grenzen weltweit.

00:05:18: Man kommt da rein und da, als wir dort waren, waren da vielleicht irgendwie zwanzig Leute, die an verschiedenen Maschinen gearbeitet haben.

00:05:27: Und das ist so ein Mix aus Handarbeit und automatisierter Arbeit, aber schon sehr, sehr einfach.

00:05:33: Das heißt, der legt dann einen Arbeiter in so eine Maschine, zwei Drähte rein.

00:05:38: Einer ist nicht Spitz und einer ist Spitz und die werden dann miteinander verbunden und kommen auf der anderen Seite der Maschine wieder raus und sind dann ein Stacheldraht.

00:05:46: Und beim nächsten Schritt sieht man dann die Arbeiterinnen, die dann immer zwei Ringe zusammentackern.

00:05:51: Zack, zack, zack, zack.

00:05:53: Aber das wird, jede einzelne Schritt wird von Hand gemacht, aber das heißt, die führen praktisch eine Maschine, die es dann zusammentackert, aber die müssen die Maschine da hinführen.

00:06:02: um diese Ringe zusammenzutackern.

00:06:04: Und du sagst, das sind so NATO-Drähte, Stacheldrähte.

00:06:08: Wo gehen die überall hin?

00:06:10: Also, die, die wir da angeschaut haben, die gingen in den Libanon, haben sie uns

00:06:14: gesagt.

00:06:15: Aber die haben dieses Jahr auch einen Großauftrag aus der Ukraine bekommen, worüber sie sich sehr gefreut haben.

00:06:21: Und zwar, fünfhundert Tonnen an NATO.

00:06:26: da hat die Ukraine, haben sie uns gesagt, in dieser Fabrik bestellt.

00:06:30: Und ja, das ist ein großer Auftrag für die.

00:06:33: Kann

00:06:33: man das in der Länge irgendwie, weil ich bei unter fünfhundert Tonnen kann man sich nicht so richtig was vorstellen.

00:06:38: Ja, wir haben das so ein bisschen versucht.

00:06:40: Wir haben dann mit denen auch gesprochen darüber.

00:06:43: So grob kann man sich vorstellen, dass tausend Kilometer, was ungefähr die Frontlänge ist, tausend Tonnen sind.

00:06:52: Das heißt ungefähr fünfhundert Kilometer, wobei es immer wieder, also es kommt drauf an wie Engmann, das Spand und so weiter.

00:06:59: Das kann man nicht so absolut sagen, aber so grob ist das die größte Ordnung.

00:07:04: Und genau, das haben die dort bestellt.

00:07:06: Aber also dieser Unternehmersohn, der uns da rumgeführt hat, der Unternehmer an sich war gerade in Russland, um da mehr Geschäfte zu machen, war auf einer Messe unterwegs.

00:07:16: Also

00:07:16: sowohl in die Ukraine als auch nach Russland gehen die Zoll.

00:07:19: Das ist ihnen

00:07:19: völlig egal, wer immer da kauft, wer kriegt das auch.

00:07:23: Und die haben uns tatsächlich gesagt, immer wenn es irgendwo einen Konflikt gibt in der Welt, dann schalten sie da mehr Google anzeigen, um mehr Stachrisch hat NATO-Draht dort zu verkaufen.

00:07:37: Okay, also die haben auch gar keine Hemmungen, dass sie von den Konflikten auf der Welt profitieren.

00:07:41: Also das war irgendwie gar nicht in dem, also in dem Horizont oder wie auch immer.

00:07:48: Das ist doch nur rational.

00:07:49: Wir wollen das verkaufen und wenn das jemand kaufen will, dann kriegen sie das auch.

00:07:53: Also auch nicht großpolitisch oder so politisiert.

00:07:58: Also, wir haben ihn gefragt, wie findet denn die chinesische Regierung das, die eigentlich eher auf Seiten Russlands steht in unserer Wahrnehmung, was die Chinesen bezweifeln würden oder in Frage stellen.

00:08:10: Aber er hat gesagt, ne, da sind ja keine Exportrestriktionen drauf.

00:08:14: Dann liefern wir das halt.

00:08:16: Das war dem irgendwie völlig egal.

00:08:18: Und geht mehr nach Russland oder mehr in die Ukraine?

00:08:21: Deutlich mehr in die Ukraine.

00:08:23: In den ersten Jahren des Krieges war es noch relativ ausgelichen auf einem sehr niedrigen Niveau.

00:08:28: Ich habe mir die Zeustatistik angeschaut.

00:08:30: Da sieht man das sehr gut.

00:08:33: Ja, inzwischen ist es deutlich mehr die Ukraine.

00:08:36: Ich habe das vorhin nochmal nachgeschaut.

00:08:39: Tatsächlich im laufenden Jahr geht in keinem Land so viel an chinesischem Stacheldraht wie in die Ukraine.

00:08:46: Auf Platz zwei sind Polen und auf Platz drei Brasilien.

00:08:51: Aber

00:08:52: vierzehn Prozent dieses Jahr in die Ukraine.

00:08:56: Und die sehen dann sozusagen diesen Ukraine-Krieg auch einfach als wie so ein Konjunkturprogramm, oder?

00:09:03: Also die verkaufen in den Libanon und wir haben ihn gefragt, was ist denn mit der Grenze zwischen den USA und Mexiko?

00:09:11: Ja, auch das ist sicher auch aus Anping, hat er gesagt.

00:09:14: Also er konnte es jetzt nicht nachweisen, aber aber er war sich sicher, dass das in Anping eingekauft wurde.

00:09:19: Also echt an allen Grenzen, wo es Konflikte, wo es Krisen gibt.

00:09:24: Aber was für Zäune und Drähte werden denn sonst noch hergestellt in Anping?

00:09:30: Ja, also wir waren auch in anderen Fabriken, die dann eher Zivilis herstellen.

00:09:35: Also eine Fabrik, die hat dann so Netze hergestellt, mit denen man Geröll sichern kann.

00:09:41: Also irgendwie am Berg, wenn da Steine liegen oder in Tunneln oder so, dass man diese Netze da aufbaut und damit Straßen vor Geröll schützt oder so.

00:09:56: Ja, da hast du uns auch einen O-Ton mitgebracht von der Unternehmerin.

00:09:59: Da hören wir doch mal ganz kurz rein.

00:10:04: Wir sind Anping, Shenzhuai, Hangschutz-Netztechnik, gegründet vor achtzehn Jahren von meinem Schwiegervater.

00:10:11: Wir sind spezialisiert auf Hang-Sicherungsnetze, Aktivnetze, Passivnetze, Seilnetze und Ringnetze.

00:10:19: Unsere Produkte werden hauptsächlich zur Sicherung von Berghängen und zur Verhinderung von Steinschlag eingesetzt.

00:10:25: Dank der vollständigen industriellen Wertschöpfungskette im Kreisanping bieten unsere Produkte sowohl im als auch international starke Preisvorteile.

00:10:35: Wir heißen Kunden aus aller Welt herzlich willkommen, unsere Produkte zu kaufen.

00:10:43: Also auch in dem Bereich sind es Kunden aus aller Welt, also auch so in Wandergebieten in Österreich oder so was man da so kennt, diese Hangennetze, das kommt auch alles aus Anping.

00:10:53: Genau.

00:10:54: Was anderes waren so Flussnetze, also um Flüsse irgendwie zu befestigen und sicher zu gehen, dass da kein Schlamm ständig rausgeschwemmt wird.

00:11:04: Also echt Zäune und Gitter für jede Gelegenheit.

00:11:07: Genau, jetzt ist das ja wie so eine Art Welthaus.

00:11:12: Die Anping als Welthauptstadt der Zäune.

00:11:15: Gibt es noch mehr solcher monothematischen Welthauptstädte in China?

00:11:19: Ist das so ein Trend oder gibt es schon lange?

00:11:22: Oh, unzählige würde ich sagen.

00:11:24: Also man kann sich sehr viele Produkte raussuchen und es gibt immer irgendwelche Städte, die sich... die sich irgendwie ganz darauf konzentrieren.

00:11:32: Also es gibt eine Stadt, die irgendwie in siebte, glaube ich, der globalen Gitarrenproduktion macht.

00:11:40: Also das ist dann nicht der Anteil von Anping an der Stacheldraht und Soundproduktion, aber immerhin doch vierzehn Prozent.

00:11:45: Und das ist irgendein Kaff und zufällig in den vergangenen Jahrzehnten dort entstanden.

00:11:50: Und jetzt produzieren die alle Gitarren.

00:11:52: In Ningbo, das ist eine sehr große Hafenstadt, weiß ich, das ist zweihundert Heißluft-Fritösen-Fabriken gibt.

00:12:01: Also wenn ihr irgendwo, also ich habe mir da auch mal so einen angeschaut, wenn ihr irgendwo in Deutschland eine Heißluft-Fritöse kauft, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie aus Ningbo kommt.

00:12:13: Ich war dort zum Beispiel in der Fabrik, die für Aldi produziert hat, also für die Medienangebote.

00:12:19: Ja, das ist Nürnbo, dann gibt's EU, das ist ja bekannt, das ist die Weltaubstadt für Plastiktrödel.

00:12:27: Also wenn du jetzt in der Weihnachtszeit irgendwie Weihnachtsdeko kaufst, die wird fast ausschließlich aus EU bezogen.

00:12:36: Da gibt's riesige Hallen, in denen die Händler, also die Einkäufer aus aller Welt kommen und dort mit den Produzenten verhandeln und da werden die Deals gemacht und da wird das verschifft.

00:12:49: nach Europa.

00:12:50: Es gibt die Porzellan-Hauptstadt natürlich und so weiter und so fort.

00:12:55: Und wie kommt es dazu, dass diese, ich meine, das hat ja schon einen riesen Ausmaß offenbar da.

00:13:02: Wie kommt es zu diesen Ansammlungen?

00:13:03: Wieso ist das so gewollt, auch vielleicht vom Staat so gewollt?

00:13:07: Oder wie kommt es?

00:13:09: Also gewollt vom Staat wahrscheinlich eher von der Lokalregierung, nicht dass das jetzt irgendwie ein großer Masterplan aus Peking ist, sondern dass halt irgendein unternehmerisch denkender Parteisekretär da vor Ort gesehen hat, oh, man kann mit Gitarren Geld verdienen.

00:13:28: Und wir haben hier zufällig gerade das Holz um die Ecke, das man dafür braucht.

00:13:32: Und dann machen wir das jetzt halt alle.

00:13:35: Und dann gibt es halt Förderungen dafür.

00:13:37: Und dann entstehen die bekannten Skaleneffekte.

00:13:40: Also wenn von irgendwas ganz viel vor Ort ist, dann kann man Bauteile, die alle dafür brauchen, viel günstiger herstellen als irgendwo anders.

00:13:49: Und in Anping ist der Vorteil, dass das in einer der großen Steifen Provinzen in China ist.

00:13:55: Also China ist ja mit großem großen Abstand der größte Stahlproduzent der Welt und die Region in der Anping ist allein produziert mehr Stahl als der zweitgrößte Stahlproduzent der Welt.

00:14:09: Das ist Indien und fünfzig Prozent mehr als die EU.

00:14:14: Eine Provinz in China, fünfzig Prozent mehr als die EU.

00:14:18: Und dann profitieren die in Anping natürlich, dass es von diesem Stahl einfach gerade sehr viel gibt, was sie verbauen können, was sie günstig beziehen können, weil es eine Überproduktion von diesem Stahl gibt.

00:14:31: Und damit ist es für Unternehmen anderswo schwierig mit diesen Preisen mitzuhalten.

00:14:36: Und welchen Stellenwert hat das diese monothematischen Städte für den Erfolg, für den Wirtschaftserfolg der Chinesen?

00:14:44: Was würdest du sagen?

00:14:45: Also die lokalen Parteisekretäre sind sehr gut darin.

00:14:51: diese Cluster zu bilden und die kennen die gesamten Wertschöpfungsketten und wissen uns fehlt jetzt um wirklich alles hier vor Ort zu haben fehlt uns noch der Produzent von dieser Maschine oder von diesem Bauteil und so weiter und die bauen das dieses Cluster dann sehr bewusst vor Ort auf.

00:15:08: Lokal ist das also sichern Faktor und wenn man das in der Größe denkt ist das ein Zeichen dafür wie unternehmerisch dieser Parteiapparat die Wirtschaftspolitik angeht.

00:15:19: Also letztlich sind es durch dieses System ganz andere Möglichkeiten davor.

00:15:23: Genau.

00:15:24: Also welche Budgethochheiten hast du?

00:15:27: Welche Budgetfreiheiten?

00:15:31: Wie stark kannst du eingreifen in Wirtschaftsgefüge und so weiter?

00:15:36: Und da sind in einem demokratischen System die Möglichkeiten von Bürgermeistern vor Ort viel beschränkter, als wenn du als lokaler Parteisekretär praktisch der Babbo bist, der mehr oder weniger fast alles machen kann und nur halt Ergebnisse liefern musst.

00:15:53: Also die haben ihre KPIs, ihre Vorgaben, was sie erreichen müssen und danach werden sie bewertet.

00:15:59: und wie sie da hinkommen.

00:16:03: Auch dafür gibt es Grenzen und so, aber da haben sie relativ große Freiheiten.

00:16:11: Gustav, vielen Dank für die spannende Geschichte.

00:16:13: Danke dir.

00:16:13: Sehr gerne.

00:16:17: Bei mir im Studio ist unser Wirtschaftsheraussgeber Gerald Braunberger.

00:16:20: Hallo, ich grüße Sie.

00:16:22: Guten Tag, Frau Jakob.

00:16:23: Herr Braunberger, wir haben eben gehört von der Stadt der Zäune.

00:16:27: Und dass es auch die Stadt der Gitarren und heiß Luftfritösen gibt, das klingt schon alles ziemlich verrückt, wenn man das so hört.

00:16:34: Welche Vorteile sehen Sie in solchen monothematischen Städten?

00:16:40: Sie können Vorteile bieten, wenn man bestimmte Rohstoffe braucht.

00:16:43: Man kann dann zusammen einkaufen.

00:16:46: Man kann auch Menschen mit Qualifikationen versammeln an einem Ort.

00:16:51: Aber im Westen ist das eher gewachsen und nicht geplant gewesen.

00:16:56: Im Westen war es gewachsen, wo Rohstoffe waren.

00:17:01: Wir haben natürlich im Silicon Valley solche Netzwerkeffekte, aber das Silicon Valley ist ja nicht geplant worden in dieser Form durch die Vereinigten Staaten.

00:17:08: Ja, also bei uns haben wir nämlich eben auch mal drüber gesprochen, so in kleinerem Ausmaß Medizintechnik in Tutlingen oder dann die Konzentration von Autozulieferern rund um Stuttgart, Stahl im Ruhrgebiet, solche Sachen.

00:17:23: Das ist schon eher historisch gewachsen, sagen Sie solche Effektionen.

00:17:26: Das historisch gewachsenen Netzwerkerfekt ist immer vor allem auch an Finanzplätzen.

00:17:31: Das ist auch im Westen so, aber auch das ist nicht unbedingt geplant gewesen.

00:17:34: Also die Bedeutung Frankfurt hat sich ergeben nach dem Zweiten Weltkrieg als Ergebnis der Ansiedlung der Bank deutscher Länder, aber das war kein Regierungsplan.

00:17:43: Aber könnte es denn von Vorteil sein, so einen Trend hin zu monothematischen Städten, könnten Sie sich das hier oder in anderen Ländern auch vorstellen?

00:17:52: Ich wäre nicht dafür, dass der Staat so etwas unternimmt.

00:17:54: Wenn es sich von selbst ergibt, zum Beispiel als Ergebnis einer bestimmten Rohstoffverfügbarkeit, dann ist es gut, aber es sollte nicht erzwungen werden.

00:18:03: Warum nicht?

00:18:04: Ich bin ein Anhänger einer freien Wirtschaft.

00:18:06: Die Menschen sollen so weit wie möglich frei entscheiden, was sie tun möchten.

00:18:10: Ja, aber gibt es da eine Bedeutung für die Weltwirtschaft?

00:18:14: Also ich sage jetzt mal, können solche Städte oder solche Unternehmen, die sich so ansiedeln, da haben die niedrigere Kosten oder können niedrigere Preise anbieten?

00:18:23: In einem Land wie China ist immer eine Frage, inwieweit Kosten durch den Start bestimmt sind.

00:18:29: Deswegen, ich glaube, man muss einen Test sehen, ob das funktioniert gegenüber anderen Modellen.

00:18:37: Wenn wir jetzt auf diese Stacheldraht-Zäune zurückkommen, die China in Konfliktregionen verkauft, als Weltmarktführer, wie wir gehört haben, das ist ja ein krasses Beispiel dafür, wie China von den Krisen der Welt profitiert, oder?

00:18:52: China profitiert sicherlich sehr stark von dem russischen Krieg gegen die Ukraine, vor allem durch die Ausrüstung Russlands.

00:18:59: Das ist für China sicherlich wirtschaftlich sehr sinnvoll, vor allem aber auch in politischer Hinsicht, weil das Machtverhältnis zwischen Peking und Moskau verändert und zwar sehr stark zu Gunsten Peking.

00:19:11: Russland wird immer abhängiger von China und das ist natürlich für China erstrebenswert.

00:19:15: Ich würde aber nicht die Ansicht teilen, dass China generell von Konflikten profitiert.

00:19:20: Wir sehen zum Beispiel, als Ergebnis des Zollstreits mit den Vereinigten Staaten, dass die Chinesen versuchen, Industriegüter umzulenken in andere Länder, das ist alles nicht so einfach.

00:19:31: Also Güterströme, auch Lieferketten, die sich über Jahre zum Teil Jahrzehnte etabliert haben, die kippen sie einfach nicht innerhalb kurzer Zeit um.

00:19:40: Das kostet Zeit und das kostet auch Geld.

00:19:43: Insofern glaube ich nicht, dass China generell profitiert.

00:19:46: Und dann würde ich ganz gerne auch erwähnen, dass China zwanzig, fünf, zwanzig Jahre lang Schwellen und Entwicklungsländer großzügig finanziert hat, um unter anderem, um Zugang zu Rohstoffen zu bekommen, auch um sie politisch zu beeinflussen.

00:19:57: Und wir sehen jetzt aber, dass dieses Kreditvolumen seit Jahren zurückgeht.

00:20:01: Und ich denke, dass es auch eine Wachsenerkenntnis-Pakings, dass das alles sehr teuer ist.

00:20:07: Und fallen Ihnen denn da noch andere Wirtschaftszweige ein, die eine politische Macht da haben in China?

00:20:14: als ich dachte jetzt beispielsweise an seltener Erden oder so?

00:20:17: Ja seltener Erden sind ja eigentlich gar nicht selten entgegen dem der Bezeichnung.

00:20:24: Die Chinesen sind nicht nur sehr stark in der Förderung, in der Förderung seltener Erden ist ihr Marktanteil aber gar nicht so hoch.

00:20:31: Sie haben es auch verstanden, die Verarbeitung seltener Erden an sich zu ziehen.

00:20:36: Das heißt, die Scheidung dieser seltenen Erden von anderen Stoffen, mit denen sie gefunden werden, und das machen sie, obgleich das halt erhebliche Umweltkosten hat.

00:20:44: Und deswegen wird es im Westen fast nicht mehr gemacht.

00:20:47: Und so hat China da jetzt eine sehr, sehr große Marktposition erlangt.

00:20:51: Und leider, Gottes haben wir im Westen zum Teil sogar das... wissen, um diese technischen Prozesse verloren.

00:20:56: Da haben sie sicherlich eine starke Stellung, aber das ist eine Frage der Zeit, bis sie sich reduziert.

00:21:02: Und fallen Ihnen noch andere Wirtschaftszweige da ein?

00:21:04: Sie sind in Teilen der Technologie, sind sie sehr gut.

00:21:07: Allerdings, wir müssen sehen, in den allermeisten Fällen gibt es nicht wirklich dauerhafter Monopole.

00:21:13: Jetzt haben wir gehört, das fand ich ja auch ganz interessant, dass China eben sowohl die Ukraine als auch Russland mit diesen Stacheldrahtzäumen, wenn man da nochmal darauf zurückkommen beliefert, da ja offensichtlich keine Unterschiede macht.

00:21:25: Das hat in der Geschichte auch schon andere Länder gegeben, auch westliche Länder, die bei Kriegen etwa in Schwellenländern beide Seiten beliefert haben.

00:21:32: Ja, aber ist es vielleicht dann auch ein Vorteil der Chinesen oder dieses Systems, dass sie da weniger moralische Bedenken haben?

00:21:40: oder vielleicht andersrum gefragt, welchen Stellenwert hat denn moral in der Wirtschaft, wenn sie sagen, der Westen hat das sicherlich auch.

00:21:49: Es geht hier um Machtpolitik.

00:21:50: Es geht um Geschäft, aber es geht vor allen Dingen auch um Machtpolitik.

00:21:53: Wir befinden uns wieder in einer Zeitrivalität in großer Mächte.

00:21:57: Und da schaut jede große Macht, wie sie sich am günstigsten positionieren kann.

00:22:02: Und der Verkauf von Ausrüstungsgütern zuteil hat es auch schon gegeben.

00:22:06: Bei Waffen an mehrere Parteien hat eine lange Tradition.

00:22:11: Wir beziehen ja auch immer noch Erdgas aus Russland.

00:22:15: Zum Beispiel.

00:22:16: Sie haben ja auch gerade ein Buch geschrieben, was Deutschland tun muss, um in der globalisierten Welt nichts komplett abgehängt zu werden.

00:22:24: China ist auf dem Wachstumsfahrt.

00:22:26: Wir eher nicht.

00:22:28: Können wir uns von dieser Strategie Chinas irgendwas abschauen?

00:22:31: Und wenn ja, was?

00:22:33: Ich finde, dass wir zur Zeit ein wenig der Zuneigen China auch zu überschätzen, so als könnten die alles.

00:22:40: Wir sind schockiert in Deutschland, weil wir feststellen, dass sie gerade auf einem Gebiet, wo wir uns für stark und eigentlich sogar für unüberwindlich gehalten haben, etwa dem Automobilbau sehr gut aufholen können.

00:22:52: Ich glaube, wir sollten weniger auf China schauen, sondern eher auf uns selbst.

00:22:56: Also das, was wir falsch machen, was wir nicht gut machen.

00:22:59: Und ich glaube, dass wir eher als die chinesische Plan mit der sozialen Marktwirtschaft versuchen sollten, also bessere Angebotsbedingungen zu schaffen, damit hier Unternehmen wieder besser arbeiten können.

00:23:11: Ja, da würde ich dann auch sagen allen, die dazu noch mehr wissen wollen, den kann ich das Buch von Gerald Braunberger wärmstens empfehlen.

00:23:18: Neustadt für Deutschland mit einer Grand Strategy aus der Krise.

00:23:23: Und dann bedanke ich mich bei Ihnen für das Gespräch.

00:23:25: Vielen Dank, Herr Braunberg.

00:23:26: Ich danke Ihnen.

00:23:34: Ja, das war's für heute mit einer kleinen Reise nach China und einem Einblick in eine ganz andere Wirtschaftswelt.

00:23:42: Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen.

00:23:43: Schreiben Sie uns gerne an podcast.it.zdi.

00:23:46: Morgen begrüßt Sie meine Kollegin Corinna Budras ausnahmsweise mal an einem Freitag hier am Mikro.

00:23:52: Warum?

00:23:52: Es geht um die Rente.

00:23:54: Morgen stimmt der Bundestag über das sogenannte Rentenpaket der Bundesregierung ab und da schalten wir zu Corinna nach Berlin.

00:24:02: Ich darf mich von Ihnen verabschieden, bedanke mich bei Lilly Bielewski und Sandra Klüber für die Unterstützung heute und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

Über diesen Podcast

Der Nachrichten-Podcast der F.A.Z. mit exklusiven Interviews zu aktuellen Themen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft. Der Podcast für Deutschland bietet Montag bis Freitag um 17 Uhr hintergründige und kontroverse Diskussionen mit F.A.Z.-Redakteuren.

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von und mit Frankfurter Allgemeine Zeitung

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