F.A.Z. Podcast für Deutschland

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00:00:12: Kein Mensch, kein Cent der Bundeswehr.

00:00:15: So war es zu hören am vergangenen Freitag hier in Frankfurt bei der großen Demonstration von Jugendlichen gegen das neue Wehrdienstgesetz und eine mögliche Wehrpflicht.

00:00:26: Das Werdienstgesetz wurde ja eben auch am vergangenen Freitag im Bundestag verabschiedet und dagegen sind in ganz Deutschland Jugendliche auf die Straße gegangen.

00:00:36: Wir haben rund um die doch sehr lange Debatte zur Werbpflicht schon sehr viel berichtet hier im Podcast, aber auch in der Zeitung und auf Fatsnett natürlich.

00:00:44: Und heute wollen wir hier ganz bewusst mal die und nur die zu Wort kommen lassen, die es betrifft.

00:00:50: die junge Generation.

00:00:52: Wir hören von den Sorgen und Nöten der Jugendlichen, die am vergangenen Freitag in Frankfurt protestiert haben.

00:00:58: und danach spreche ich mit einer jungen Frau, die sich entgegen dieser lauten Stimme des Protests ganz bewusst für die Bundeswehr entschieden hat und jetzt reservistin ist.

00:01:09: Bevor es losgeht, noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache.

00:01:12: Der treuen Hörerschaft wird es nicht entgangen sein.

00:01:15: Seid heute bekommen Sie hier im Podcast für Deutschland auch am frühen Morgen schon einen Nachrichtenüberblick, den FAZ-Podcast für Deutschland am Morgen.

00:01:25: Und dann wie gehabt am Nachmittag ein Thema ganz vertieft und ausgeruht hier im Podcast für Deutschland.

00:01:32: Ja und damit herzlich willkommen zu Ebenseuchen, dem Podcast für Deutschland.

00:01:37: In dieser Woche mit mir, Sandra Klüber, heute ist Dienstag der neunte Dezember und ich freue mich sehr, dass sie auch mit dabei sind.

00:01:45: Ich begrüße jetzt hier im Studio unsere Hospitantin Lili Bielewski.

00:01:51: Hi Lili!

00:01:52: Hi, Wandra!

00:01:53: Ja, du warst am Freitag für uns auf dem Schulstreik gegen eine mögliche Werbpflicht hier in Frankfurt und hast dort mit ganz vielen Schülerinnen und Schülern gesprochen.

00:02:04: Das Ganze fand auf dem Willi Brandplatz statt, mitten in Frankfurt.

00:02:07: Wie viel war denn los und wie hast du da die Stimmung erlebt?

00:02:12: Laut Polizei rund sechshundert Leute, es war etwas weniger als erwartet.

00:02:16: Ich glaub, man ist vorher von tausendfünfhundert bis dreitausend Leuten ausgegangen.

00:02:20: Also, ich hab die Leute eigentlich sehr motiviert erlebt.

00:02:23: Auch untereinander war es eine sehr positive und friedliche Stimmung.

00:02:27: Viele hatten selbstgemachte Plakate dabei.

00:02:30: Und es gab auch einige Reden, z.B.

00:02:32: auch von sehr jungen Schülerinnen.

00:02:34: Also, ich find, man hat schon gemerkt, dass es

00:02:35: um ...

00:02:36: ein ernstes Thema für die Jugend ging und alle wirklich da waren, weil sie es eben für wichtig halten und sich für ihre Rechte einsetzen wollten.

00:02:46: Bevor wir gleich aber weitersprechen, Lilly, und natürlich auch dann viele Stimmen von vor Ort holen, die du für uns eingesammelt hast, lass uns doch aber nochmal kurz auf den tatsächlichen Stein des Anstoßes blicken, das neue Wehrdienst gesetzt, das ja am Freitag zeitgleich zu den Protesten verabschiedet wurde.

00:03:05: Was da jetzt nach einem wirklich monatelangen Hin und Her tatsächlich drinsteht, das hat uns Kathrin Jakob mal kurz zusammengefasst.

00:03:14: Mit unserer

00:03:15: Einigung zum Wehrdienst-Modernisierungsgesetz gehen wir einen weiteren

00:03:18: entscheidenden Schritt für unsere Verteidigungsfähigkeit.

00:03:21: Und ich möchte dem Verhandlungstil.

00:03:23: nun ist es also durch das Wehrdienstgesetz oder Wehrdienst-Modernisierungsgesetz wie es vollständig heißt.

00:03:29: Nach langem Ringen hat der Bundestag am vergangenen Freitag mit dreihundert, dreihundzwanzig zu zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert, zweihundert.

00:03:42: Nun muss das Gesetz noch durch den Bundesrat, wahrscheinlich am neunzehnten Dezember, und dann soll der neue Wehrdienst schon ab Januar gelten.

00:03:46: Ziel der Regierung ist es, die Streitkräfte massiv aufzustocken.

00:03:50: Mindestens zweihundertsechzigtausend Männer und Frauen sollen die Truppe bilden, ein Plus von achtzigtausend.

00:03:57: Außerdem soll es zweihunderttausend Reservisten geben.

00:04:01: Der große Wunsch der Koalition, es melden sich genügend Freiwillige für den Wehrdienst, aber... Wenn

00:04:07: es nicht

00:04:07: reicht,

00:04:08: und wenn die Bedrohungslage

00:04:09: sich weiter so oder schlechter entwickelt, werden wir über eine verpflichtende,

00:04:13: eine

00:04:13: Teil-Wehrpflicht nicht

00:04:14: rumhinkommen,

00:04:15: um dieses Land

00:04:16: schützen zu können.

00:04:17: Was Verteidigungsminister Boris Pistorius meint, wenn die Zahl der Freiwilligen nicht reicht, kann der Bundestag eine sogenannte Bedarfs-Wehrpflicht einführen, um die Lücke zu schließen.

00:04:28: Das umstrittene Losverfahren, das für ordentlich Kritik gesorgt hatte, ist dabei weiterhin vorgesehen, aber nur noch als allerletztes Mittel innerhalb dieser Bedarfswerbpflicht.

00:04:38: Selbst dann hat allerdings jeder weiterhin das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern.

00:04:43: Damit es zu all dem nicht kommt, lockt die Regierung mit ordentlich Anreizen.

00:04:48: Wer freiwillig dient, soll für die Mindestzeit von sechs Monaten rund zwei tausend sechshundert Euro brutto im Monat bekommen.

00:04:55: Für längere Verpflichtungen gibt es noch mal was obendrauf.

00:04:58: Ab zwölf Monaten Wehrdienst bekommt man für den Führerschein einen Zuschuss in Höhe von drei Tausend Fünfhundert Euro.

00:05:06: Und wie geht es jetzt los?

00:05:08: Junge Männer ab dem Geburtstagang zwei Tausend Acht werden verpflichtend gemustert.

00:05:12: Sie werden nächstes Jahr Achtzehn.

00:05:14: Frühere Jahrgänge werden nicht berücksichtigt.

00:05:17: Ein erster Kontakt wird über Fragebögen hergestellt, die etwa von Mitte Januar an ins Haus flattern.

00:05:23: Es geht um Angaben zu Person und Gesundheit.

00:05:26: Außerdem wird die Bereitschaft zum Wehrdienst abgefragt.

00:05:29: Männer müssen, Frauen können das ausfüllen.

00:05:32: Es wird ein paar geben,

00:05:33: die

00:05:34: trotz aus Ablehnung, aus grundsätzlichen

00:05:36: Überlegungen sich

00:05:37: zunächst weigern, den Fragebogen auszufüllen.

00:05:40: Ich habe aber aus den vielen Gesprächen, die ich mit

00:05:42: den jungen

00:05:42: Leuten führe, den

00:05:43: Eindruck, die meisten werden

00:05:44: das tun, weil sie einsehen, worum es geht.

00:05:47: Dann geht es zur Musterung.

00:05:48: Allerdings fehlen da aktuell noch die Strukturen.

00:05:51: Ziel sind vier und zwanzig Musterungszentren.

00:05:53: Dafür stehen aber noch nicht einmal die Orte fest.

00:05:56: In denen werden dann ab Juli, dem Jahrgänger, komplett gemustert.

00:06:02: Bis dahin geht es Schritt für Schritt.

00:06:04: Musterung heißt eine Befragung über Erkrankungen und medizinische Vorgeschichte.

00:06:09: Dann folgt die ärztliche Untersuchung.

00:06:11: Sehtest, Urintest, Körpergewicht und Größe.

00:06:15: Außerdem der Check, wie beweglich und belastbar der Körper ist.

00:06:18: Und auch die persönliche und charakterliche Eignung soll berücksichtigt werden.

00:06:23: Am Ende bekommt man einen Tauglichkeitsgrad, wehrdienstfähig, vorübergehend nicht wehrdienstfähig oder nicht wehrdienstfähig.

00:06:32: Wichtig, dabei geht es nur um die Tauglichkeit, nicht um eine Verpflichtung.

00:06:36: Denn schließlich ist Freiwilligkeit ja das große Ziel des neuen Wehrdienstgesetzes.

00:06:43: Ja, vielen Dank an Kathrin Jakob für diese Zusammenfassung und das vielleicht nochmal jetzt für unser weiteres Gespräch vorangestellt, Lilly.

00:06:52: In dem Gesetz geht es ja zunächst einmal darum, über freiwillige Verpflichtungen den Bedarf an Soldatinnen und Soldaten zu decken und eine mögliche Werbpflicht wäre dann erst ein zweiter Schritt, falls eben nicht genügend Freiwillige sich für die Bundeswehr melden.

00:07:10: Das heißt ja aber, dass der Protest der Schülerinnen und Schüler gegen eine Werbpflicht sich ja vor allem erst mal gegen einen gar nicht unbedingt sofort eintreten, das Zukunfts-Szenario richtet, oder?

00:07:22: Ich

00:07:23: würde sagen, teils teils.

00:07:24: Also viele haben einfach natürlich existenzielle Ängste und Sorgen, was da mit der Werflicht auf sie zukommt.

00:07:31: Ich glaube, dieser erste Schritt zur Musterung ist für viele auch schon sehr einschüchternd.

00:07:35: Und man muss auch sagen, dass es bei zu wenig Freiwilligen ja durchaus dazu kommen kann, dass Leute eingezogen werden.

00:07:43: Und viele Jugendliche gehen eben davon aus, dass genau das eintreten wird.

00:07:46: Also ja, erst mal ist es ein Zukunft ... Szenario, mit Blick auf die vielen geopolitischen Konflikte aber auch zur Zeit, zum Beispiel Ukrainekrieg, ist es für viele junge Menschen, aber glaube ich, gar nicht so weit entfernt.

00:07:59: Also da steckt schon eine reelle Angst dahinter.

00:08:03: Gillette ist zwanzig und hat mir dazu Folgendes erzählt.

00:08:06: Es ist halt kein Krieg, der für uns

00:08:08: geführt wird, wenn ein Krieg geführt wird, sondern für

00:08:11: das Kapital und da bin ich dagegen.

00:08:13: Ich war auch vor

00:08:14: einem Jahr auf einer Beerdigung von

00:08:15: einem

00:08:16: Freund, der auch

00:08:17: gerade achtzehn war und das will ich

00:08:20: nie wieder machen müssen

00:08:21: und deswegen mich auch ging die wirklich.

00:08:23: Eine krasse Aussage, dass sie eben nicht auf die Beerdigung von Freunden oder jungen Verwandten gehen möchte.

00:08:31: Gleichzeitig sagt sie, das ist eben kein Krieg, der für sie geführt wird, sondern für das Kapital, wie sie sagt.

00:08:37: Wie politisch waren denn die Schülerinnen und Schüler?

00:08:42: Was war dein Eindruck vor Ort?

00:08:44: Also ich hatte schon das Gefühl, dass viele Demonstranten aus dem linken politischen Lager kamen.

00:08:49: Es wurde in den Reden auch viel von Freiheit.

00:08:51: Zum Beispiel die Freiheit auf Bildung oder auf freie Berufswahl gesprochen und ja über die Einschränkungen, die die Werflicht mit sich bringen könnte.

00:09:00: Und auch pazifistische Einstellungen waren auf jeden Fall vertreten.

00:09:04: Die persönlichen Werte und Moralvorstellungen von vielen Jugendlichen.

00:09:09: passen einfach nicht so richtig in das Bild der Bundeswehr, haben sie mir erzählt.

00:09:13: Und viele meinten, die Wehrpflicht ist für sie keine Lösung, weil Krieg keine Lösung ist.

00:09:18: Und

00:09:18: dazu hören wir auch noch mal die Stimmen von zwei Oberstufenschülern.

00:09:22: Wir sind heute hier, weil wir nicht

00:09:24: denken, dass eine Wehrpflicht gut ist, um politische Probleme zu lösen,

00:09:28: weil Krieg keine Lösung sein kann.

00:09:30: Für Frieden muss man demokratisch und diplomatisch handeln.

00:09:33: Ich finde,

00:09:34: es wird über uns hinweg entschieden.

00:09:36: Ich bin Jahrgang.

00:09:38: Und ich denke,

00:09:40: dass wenn wir immer mehr aufrissen und auch mit der Wehrpflicht wieder

00:09:44: anfangen, dass einfach die Probleme nur schlimmer

00:09:46: werden und wenn wir wirklich dann

00:09:49: in den Krieg

00:09:50: kommen mit

00:09:51: NATO und Russland, das will niemand.

00:09:54: Und ich denke, dass ständiges Aufrüsten wie im Kalten

00:09:56: Krieg und auch davor

00:09:58: nie eine gute Lösung war und somit auch kein Nicht-die-Werpflicht.

00:10:01: Es gibt

00:10:01: gewisse Pflichten, die hat

00:10:03: man hier in Deutschland

00:10:03: wie die Schulpflicht.

00:10:04: Nur werde ich dazu nicht ausgebildet, irgendwer umzubringen

00:10:07: oder

00:10:07: eine Waffe zu bedienen.

00:10:08: Das widerspricht meinen Wertegefühlen und meinen Werteverständnis und dementsprechend würde ich mich ungern gezwungen fühlen, so was irgendwie lernen zu müssen.

00:10:17: Aber auch einmal international gesehen, was für ein Zeichen so eine Werpflicht fürs Ausland sendet, potenziell Aggressoren, Sie sehen sich durch so was natürlich auch wieder irgendwie angegriffen.

00:10:26: Und das ist so ein Hochschau können, das haben wir im Kalten Krieg schon gesehen, das führt zu nichts Gutes.

00:10:31: Würdest du denn sagen, dass auch viele, mit denen du gesprochen hast, vielleicht generell so eine gewisse Enttäuschung gegenüber der Politik verspüren?

00:10:40: Also das ist ja so dieser... Alte Generationenkonflikt, dass Politik eben oft von älteren Menschen für ältere Menschen gemacht wird und sich die junge Generation nicht wirklich gehört fühlt.

00:10:52: Wie hast du das erlebt?

00:10:54: Ja, auf jeden Fall.

00:10:55: Ich glaube, die Jugend fühlt sich einfach unverstanden und von politischen Entscheidungen auch ein Stück weit ausgeschlossen.

00:11:02: Viele haben auch gesagt, ich habe diese Regierung gar nicht gewählt.

00:11:05: Ich durfte noch nicht wählen, weil ich unter achtzehn bin und soll jetzt für sie an die Front oder zur Bundeswehr.

00:11:11: Das ist einfach unfair.

00:11:13: Und ich glaube, da fehlt einfach die Möglichkeit der Mitentscheidung.

00:11:16: Und das bringt natürlich Frust, wie man auch bei dieser Schülerin hört.

00:11:21: Meine Sorge ist, dass unsere Generation

00:11:22: halt dafür

00:11:23: ausgenutzt wird, jetzt den Krieg für irgendwelche Leute, die sich in der Politik keine Mühe für uns geben,

00:11:30: auszutragen.

00:11:32: Und wir jetzt quasi, wie es ja auch ganz oft gesagt wird, als Kanonenfutter an die Front geschickt werden und dass sich sonst nie für unsere Generation interessiert wird, außer wenn es gebraucht

00:11:42: wird.

00:11:43: Es war ja ein Streik von Schülerinnen und Schülern primär, aber auf dem Willi Brandplatz waren das alles tatsächlich nur Jugendliche oder haben sich auch andere Menschen dem Protest angeschlossen.

00:11:56: Es war eigentlich sehr bunt gemischt.

00:11:58: Hauptsächlich waren natürlich Schüler da, die selbst betroffen sind.

00:12:03: Aber es waren eigentlich alle Altersklassen vertreten.

00:12:05: Zum Beispiel auch Eltern mit Kleinkindern oder junge Erwachsene, die eben jüngere Freunde oder Familie haben.

00:12:11: Und eben auch Menschen, die in Jugendverbänden engagiert sind und die jungen Generationen von der Politik als ungerecht behandelt sehen.

00:12:20: Und da können wir auch mal in einen Ton reinhören.

00:12:23: Ich bin sauer, weil das Widerlieft wie immer bei der Politik, dass es um die Lange der Jugend geht.

00:12:30: und um junge Menschen und deren Leben und denen einfach jede mögliche Entscheidung oder Beteiligungsmöglichkeit entzogen wird.

00:12:38: Der Vorsitzende vom deutschen Schülervertretung hat das sehr

00:12:41: gut zu angefasst.

00:12:42: Es wird immer nur über die Jugend gesprochen, aber nie mit der Jugend.

00:12:44: Daher gibt es unglaublich viele Möglichkeiten, mit denen man mit der Jugend und mit jungen Menschen in Kontakt kommen könnte.

00:12:49: Es gibt Jugendringe, es gibt viele Jugendverbände, die groß sind, wo man in Kontakt kommen könnte als Politik.

00:12:56: Aber die jungen Menschen werden einfach ignoriert und es wird über sie hinwegkriegiert.

00:12:59: Und die Politik wird auch immer auf Kosten der jungen Menschen gemacht.

00:13:02: Ja, das klingt jetzt alles erstmal sehr ablehnt.

00:13:04: Ich muss aber auch sagen, dass einige mir wirklich erzählt haben, sie könnten sich stattdessen zum Beispiel ein verpflichtendes soziales Jahr vorstellen, bei dem es die Möglichkeit des Militärdienstes gibt.

00:13:15: Den Zwang zum verpflichtenden Wehrdienst will man aber nicht.

00:13:19: Also da hast du durchaus die Bereitschaft gesehen, eben zum Engagement zu einem verpflichtenden Jahr, aber eben nicht zu einem verpflichtenden Wehrdienst.

00:13:28: Genau, ja.

00:13:29: Ja, wir haben am Anfang schon mal kurz drüber gesprochen.

00:13:32: Du hast ja gesagt, du hast die Schüler da sehr, sehr motiviert erlebt.

00:13:37: Denn so einen Vorwurf, den mussten sie sich ja sofort eigentlich gefallen lassen von allen Seiten, dass das einfach nur ein guter Grund ist, die Schule zu schwänzen und da vielleicht ja das Engagement für die Sache gar nicht so groß ist bei den ein oder anderen.

00:13:54: Was war da dein Eindruck vor Ort?

00:13:56: Wie entschlossen und wie motiviert haben denn die Protestierenden auf dich gewirkt?

00:14:03: Also, ich muss wirklich sagen, ich hatte bei keine, mit dem ich gesprochen habe, das Gefühl, dass er oder sie gerade Schule schwänzt.

00:14:09: Es steckte wirklich sehr viel Motivation dahinter.

00:14:12: Wie gesagt, viele sind mit Plakaten gekommen, teilweise auch mit ihren Eltern und haben in der Kälte gestanden.

00:14:18: Und wirklich fast alle hatten auch Lust, mit mir zu reden und ihre Meinung zu tun und wirklich über das Thema zu diskutieren.

00:14:25: Ich hab's wirklich so erlebt, dass alle schon sehr engagiert da waren und für ihre Rechte einstehen wollten.

00:14:30: Und das war auch der Tenor bei den Reden, die gehalten wurden.

00:14:34: Ja, wir kommen wieder, ein starkes Statement.

00:14:45: Ja, und zumindest der feste Wille, dass es das noch nicht war, mit dem Protest und Widerstand gegen eine mögliche Werbpflicht.

00:14:52: Vielen, vielen Dank,

00:14:54: Lilly,

00:14:54: für die Eindrücke von vor Ort.

00:14:56: Danke für die Einladung.

00:14:58: Und der nächste offizielle Schulstreck, der ist jedenfalls für März angekündigt im Moment.

00:15:04: Und die kommenden Wochen und Monate, die werden zeigen, ob die Bundeswehr es schafft, genug Freiwillige anzuziehen.

00:15:11: Um das zu schaffen, das haben wir ja auch schon im Blog gehört, setzt die Bundeswehr ja ganz gezielt diverse Anreize, zum Beispiel eine deutlich höhere Einstiegsbesoldung oder auch die Bezuschussung zum Führerschein unter bestimmten Umständen.

00:15:24: Ich habe ja so meine Zweifel, ob das diejenigen umstimmen könnte, mit denen du Lilly heute gesprochen hast.

00:15:32: Aber zur Wahrheit gehört ja auch, dass die Bundeswehr in Umfragen nach wie vor einer der beliebtesten Arbeitgeber unter Jugendlichen ist.

00:15:40: auch in den vergangenen Jahren etwas abgerutscht.

00:15:43: Im aktuellen Schüler-Ranking, in dem fast vierzehntausend Jugendliche vom Marktforschungsinstitut Trendance befragt wurden, landet die Bundeswehr aber immer noch auf Platz sechs.

00:15:56: Und auch meine nächste Gesprächspartnerin hat sich ganz bewusst für die Bundeswehr entschieden.

00:16:02: Ella hat nach dem Abi ein freiwilliges soziales Jahr in Lettland gemacht.

00:16:07: Ja, im Baltikum.

00:16:09: In dieser Zeit ist bei ihr die Entscheidung gefallen, dass sie sich als freiwillige Wehrdienstleistende beim Heimatschutz verpflichten möchte.

00:16:18: Diese Ausbildung hat sie ein Jahr lang gemacht in Hannover und Münster.

00:16:23: Und was sie dort erlebt hat, warum sie sich für diesen Weg entschieden hat und was sie für ihr weiteres Leben mitgenommen hat, das erzählt sie uns jetzt.

00:16:32: Hallo Ella, ich freue mich sehr, dass du da bist.

00:16:35: Ja, hallo, ich mich auch.

00:16:38: Ja, wenn du auf dieses Jahr bei der Bundeswehr zurückblickst, was ist da besonders hängen geblieben für dich?

00:16:44: Vielleicht ein Moment oder eine besondere Erkenntnis?

00:16:47: Ja, ich glaube so das erste Mal, als wir alle da im Uniform im Flur aufgereizt standen, das war schon sehr beeindruckend, also so ganz ungewöhnlich.

00:16:57: Was ging dir da durch den Kopf?

00:16:59: Also davor haben wir ja die ersten zwei Tage, waren wir noch nicht eingekleidet und da ist man dann noch in seinen zivilen Klamotten und da hat man noch nicht so dieses Gefühl von Militär.

00:17:07: und dann, wenn man in den Uniform ist, dann brichtest du über ein Herr und das war schon ein voll unbekanntes Gefühl für mich.

00:17:13: Also dann wurde das ganze noch mal viel realer für dich.

00:17:16: Ja.

00:17:17: Was hat dich oder hat es dich überhaupt nachhaltig verändert, würdest du sagen, dieses Jahr?

00:17:23: Also, ich würde sagen, so ein paar Sachen, also klar, man hat viel dazugelernt, aber ich würde nicht sagen, dass ich jetzt eine andere Person dadurch geworden bin.

00:17:33: Erklär uns doch mal kurz, was du da eigentlich genau gemacht hast.

00:17:37: Also was ist denn dieser freiwillige Wehrdienst beim Heimatschutz?

00:17:41: Der freiwillige Wehrdienst beim Heimatschutz besteht aus der Grundausbildung, der dreimöhnartigen Grundausbildung, die ja jeder Soldat oder Soldatin am Anfang macht.

00:17:51: Und dann kommt man in die Spezialausbildung, die geht vier Monate.

00:17:55: Man wird zu einem Soldaten ausgebildet oder zu einer Soldatin, die im Inland eingesetzt wird.

00:18:01: Und dann halt quasi die Szenarien waren immer, wenn es wirklich zu einem Verteidigungsfall kommen würde in Deutschland, dass dann ja... Auch das Leute braucht die im Innenland die Strukturen und Ordnung in Stand halten und Aufstände im Innenland quasi unter Kontrolle bringen.

00:18:19: und das ist was Heimatschützer machen.

00:18:21: Also wichtige Infrastruktur haben wir gelernt zu verteidigen und so.

00:18:25: Und wie muss man sich dieses Training genau vorstellen?

00:18:29: Kannst du uns da mal mitnehmen bei so einem typischen Tag?

00:18:33: Es gibt, das habe ich voll oft schon gefragt, so ein typischer Tag bei der Bundeswehr.

00:18:37: Das gibt es nicht so wirklich, weil es immer andere Ausbildungsinhalte gibt.

00:18:40: Also es gibt ja die Schießausbildung, die Sanitärausbildung, dann Geländeübungen und so.

00:18:45: Und das ist halt immer ungefähr für einen bis zwei Wochen macht man dann so das Gleiche.

00:18:49: Und dann gibt es wieder einen nächsten Programmschwerpunkt.

00:18:51: Manchmal hat man auch einfach nur Theorie und Gericht, aber so einen Schießtag.

00:18:56: Wo wir scharf geschossen haben und Schießübungen gemacht haben, da steht man schon so um fünf, würde ich sagen, Auffassungen, Viertel vor fünf.

00:19:04: Und dann um sechs oder dreißig den Bus zu nehmen, der ihn dann zum Schießplatz bringt.

00:19:09: Und dann macht man da diverse Schießübungen zum Beispiel.

00:19:13: Aber das ist auch nur ein ganz kleiner Teil der Ausbildung bei der Bundeswehr.

00:19:18: Aber natürlich ein besonders entscheidender, wie war das denn für dich, schießen zu lernen, eine Waffe in der Hand zu halten?

00:19:27: Also am Anfang ist das schon total komisch.

00:19:30: Aber am Anfang ist es ja auch, wie wenn man zum Beispiel am Steuer sitzt, das erste Mal beim Auto, das man so denkt, man könnte jetzt gerade richtig viel kaputt machen.

00:19:39: Also man könnte gerade, wenn man sich jetzt tollpatschig anstellt, kann es zu einer richtig großen Katastrophe kommen.

00:19:45: Aber was mich so... Erstaunt hat es, wie schnell das einfach normal wird.

00:19:50: Also nach drei Schießtagen ist es gar nichts mehr so besonderes im Kopf, irgendwie eine scharfe Waffe in der Hand zu haben.

00:19:58: Fand ich schon irgendwie bemerkenswert, dass man sich so schnell daran gewöhnt hat.

00:20:03: Im Ernstfall geht es ja aber darum, mit dieser Waffe potenziell auch Menschen zu töten.

00:20:08: Wie bist du denn damit umgegangen?

00:20:11: Und wie wurde in der Ausbildung auch darüber gesprochen mit euch?

00:20:14: Es wird... schon ab und zu darüber gesprochen, jetzt nicht so oft, weil ich glaube, man weiß ja, dass, wenn man eine Waffe bedient, wofür die dann im Notfall sein soll, es kommen immer so dann wieder Momente über ein Herr, wo man so denkt, boah, das ist gerade ich drin hier gerade für den Ernstfall, weil man ist ja dann immer in so Übungssituationen und da macht es ja auch offensichtlich so Spaß, dann so durchs Gelände zu rennen und so, aber dann manchmal bricht es über ein Herr so... dass man das ja jetzt gerade irgendwie, dass es nicht Spaß machen soll, sondern dass man hier für einen Ernstfall trainiert und im Notfall halt auch getötet werden kann oder den Menschen tötet.

00:20:54: Und ich hab dich dann immer so, dann kriegt man immer so ein bisschen kurz Panik und dann verdrängt man das aber auch wieder schnell.

00:20:58: Für mich war das nicht immer präsent.

00:21:02: Was hat dich denn aber dazu gebracht zu sagen, ich möchte diese Ausbildung machen nach dem Abi, nach dem freiwilligen sozialen Jahr?

00:21:10: Was war deine Motivation?

00:21:12: Also auf jeden Fall fand ich es natürlich total interessant zur Bundeswehr zu gehen.

00:21:17: Also gerade ich komme aus einem sehr linken Umfeld und ich komme aus Berlin.

00:21:21: Ich bin selbst sehr links aufgewachsen und das war einfach so.

00:21:24: die Bundeswehr war nie ein Thema bei mir und einfach so.

00:21:26: dieser Gedanke, dass ich das machen würde, war so interessant für mich und auch aufregend und ich fand die Erfahrung einfach super interessant.

00:21:34: Aber ich habe mich wie du ja am Anfang auch gesagt hast, dafür entschieden, als ich gerade mein freiwilliges Sozialanzeichen in Lettland gemacht habe.

00:21:41: Und Lettland ist ja ein ehemaliges Land der Sowjetunion und eben auch direkt an der russischen Grenze.

00:21:46: Und für die, also das ist da eine ganz andere Mentalität als in Deutschland, also für die ist das einfach so, dass sie ein starkes Militär haben, ist nicht optional für die.

00:21:57: Also ich hatte Freunde da, die haben schon mit ihren Familien geredet.

00:22:01: Was passiert, also da war ja schon der russischer Angriffskrieg auf die Ukraine.

00:22:05: Und die haben schon mit ihren Familien geredet, so was passieren würde, also was die machen würden, wenn Russland-Klettern angreifen würde oder einen Bayerischen Stadt angreifen würde.

00:22:13: Und ja, einfach dieses Aufrüsten, um sich nicht verteidigen zu müssen, diese Aufrüstung für Abschreckung ist total normal für die.

00:22:20: Und das habe ich irgendwie einfach so verstanden, dass man sowas braucht.

00:22:26: Du hast gerade selbst gesagt, du kommst eher aus Ja an.

00:22:29: einem grün alternativen Umfeld in Berlin, Prenzlauer Berg.

00:22:35: Wie hast du das denn zum Beispiel deinen Eltern, deiner Familie, deinen Freunden gesagt, dass du jetzt zur Bundeswehr gehen möchtest und wie haben die reagiert?

00:22:44: Also zwar natürlich alle erstmal total erstaunt.

00:22:48: Das hat damit einfach niemand gerechnet.

00:22:50: Ich ja auch nicht richtig.

00:22:52: Und meine Eltern haben das ziemlich schnell so akzeptiert und fanden das auch gut, also so mit der Begründung, die ich jetzt auch gerade gegeben habe.

00:23:00: Also ich habe aber trotzdem natürlich Freunde, die das, mit denen ich viel darüber diskutiert habe, aber es ist jetzt keine Freundschaft daran kaputt gegangen zum Beispiel.

00:23:08: Aber es ist natürlich, man kommt manchmal in Meinungsverschiedenheiten, aber ist auch immer interessant natürlich.

00:23:14: Das heißt, du hast auch Kritik erfahren?

00:23:16: Ja klar.

00:23:17: Und wie bist du damit umgegangen?

00:23:18: Am Anfang habe ich versucht, das Thema viel zu vermeiden.

00:23:22: Aber ich habe immer mehr gelernt, zu dieser Entscheidung zu stehen.

00:23:26: Am Anfang habe ich das auch gar nicht gesagt, wenn ich jemanden neu getroffen habe, dass ich bei der Bundeswehr bin.

00:23:32: Weil es mir ein bisschen unangenehm war.

00:23:34: Aber irgendwann merkt man ja, dass man gerade... Ich fand, ich habe total das Richtige damit gemacht.

00:23:40: Und dann lernt man, dazu zu stehen.

00:23:43: Und dann habe ich das auch offen gesagt und konnte mich auch gut dahin gehen verteidigen.

00:23:47: Das heißt, du hast jetzt die Entscheidung dann nie angezweifelt, weil du gegen Wind erfahren hast in deinem persönlichen Umfeld.

00:23:54: Nee, das nicht.

00:23:55: Gibt es denn eigentlich Dinge, die du erlebt hast bei der Bundeswehr, die so ganz anders waren, als du es dir vielleicht vorher vorgestellt hast?

00:24:04: Ja, total.

00:24:05: Also ich dachte einfach so dieses Wort.

00:24:07: Kaserne.

00:24:08: Und das klingt so düster wie in dem letzten Keller von irgendeinem Industriegebäude.

00:24:13: Und ich finde, also das ist schon ein bisschen so eine sehr wohnliche Situation einfach.

00:24:17: Und also man entwickelt ja dann auch so ein bisschen miteinander.

00:24:20: Und ich habe da auch viele, viele gute Freunde gefunden, zwar nicht so so düster, wie ich mir das alles vorgestellt habe, sondern am Ende hat es auch einfach total viel Spaß gemacht.

00:24:29: Mit wie vielen Kameradinnen hast du dir eine Stube geteilt?

00:24:33: Am Anfang in der Grundausbildung habe ich mir mit vier Kameradinnen die Stube geteilt.

00:24:37: Und in der Spezialausbildung dann in Münster habe ich nur, waren wir nur zu zweit.

00:24:42: Also waren wir nur zwei Frauen.

00:24:43: Wie

00:24:44: hast du das denn erlebt im Alltag bei der Bundeswehr?

00:24:47: Also von außen denkt man ja an sehr strenge Hierarchien.

00:24:53: Wie hast du das erlebt?

00:24:54: War das tatsächlich so oder würdest du sagen, dass eher die Kameradschaft, die Gemeinschaft im Vordergrund stand?

00:25:00: Sowohl als auch also.

00:25:02: In der Grundausbildung war das sehr so, dass die Ausbilder noch total streng waren.

00:25:07: Und dann in der Spezialausbildung ist es dann einfach viel entspannter geworden mit den Ausbildern.

00:25:12: Was waren das denn für Leute, die mit dir zusammen dann diese Spezialausbildung gemacht haben?

00:25:18: Also die Spezialausbildung, das waren ja vor allem Leute wie ich, die gerade ihr Abi gemacht haben und dann nochmal irgendwie was anderes machen wollten, bevor sie eine Ausbildung machen, studieren und so weiter.

00:25:32: Und die waren dann alle so zwischen.

00:25:37: Es gab zwei, zwei Dreißigjährige, aber der Großteil war, war in meinem Alter.

00:25:42: Und in der Grundausbildung ist es eben, da gibt es dann auch noch mal, gibt es viel mehr, so Dreißigjährige, Fünfundreißigjährige, die noch mal einen anderen Lebensweg einschlagen, also die ihren Job nicht mehr wollen und dann noch mal so was in ganz andere Richtungen gehen.

00:25:56: Und wie war so die Verteilung von Frauen und Männern?

00:25:58: In

00:25:58: der Grundausbildung war es, waren es wirklich erstaunlich, viele Frauen, ein Drittel ungefähr.

00:26:05: Und in der Spezialausbildung waren es dann, waren es nur noch ich und eine andere Frau, also zwei Frauen von dreiundzwanzig.

00:26:12: Ja, also weil Frauen bei der Bundeswehr ja immer noch in der deutlichen Unterzahl sind, würdest du denn sagen, dass du dich als junge Frau vielleicht nochmal mehr oder anders beweisen musstest als vielleicht männliche Kollegen?

00:26:26: Ja, auf jeden Fall.

00:26:27: Man muss nochmal viel mehr zeigen, dass man es drauf hat, weil einfach so dieses Klischee, dass Frauen einfach weniger leisten können als Männer.

00:26:35: Körperlicht ist ja auch, Frauen sind ja biologisch, können nicht so schnell Muskeln aufbauen wie Männer,

00:26:41: aber

00:26:42: dass man dann noch mal zeigen muss, dass man es drauf hat und dass man eine Berechtigung hat bei der Bundeswehr zu sein, ist schon, also hatte ich das Gefühl, dass ich das Werbeste als Frau.

00:26:51: Hattest du dich da körperlich speziell vorbereitet vor der Ausbildung?

00:26:55: Ja, also ich war so mäßig sportlich und da habe ich jeden Tag, wenn ich ins Fitnessstudio gegangen bin und habe so Ausdauer- und Krafttrainingen gelernt.

00:27:03: Und das war auch nötig, wie körperlich herausfordernd.

00:27:07: Hast du die Ausbildungen empfunden?

00:27:09: Also schon anspruchsvoll auf jeden Fall.

00:27:11: Ich glaube, ich hätte das nicht geschafft, hätte ich mich nicht da vorbereitet.

00:27:14: Es war schon auf jeden Fall gut, dass ich da mich vorbereitet habe, damit ich eben nicht hinterherschleife.

00:27:21: Wie blickst du denn auf die Proteste von Schülerinnen und Schülern am vergangenen Freitag?

00:27:27: Das haben wir ja im ersten Gespräch schon gehört.

00:27:30: Gab es viele Proteste in ganz Deutschland gegen das neue Wehrdienstgesetz?

00:27:35: Wie blickst du auf diese Proteste?

00:27:38: Also ich kann die Wut total verstehen von meiner Generation, dass man sich einfach so... Also man hat ja den Einspieler gehört, dass man sich übergangen fühlt und so Politik von Rentnern für Rentner gemacht wird.

00:27:51: Das kann ich schon verstehen.

00:27:52: einfach, weil ich das Gefühl habe, dass gerade viel... zu Lasten der jungen Generation, viel Politik zu Lasten der jungen Generation gemacht wird.

00:28:01: Die Klimapolitik, die Rentenpolitik, damals die Corona-Politik.

00:28:04: Und das ist jetzt diesen großen Eingriff in die Freiheit geben soll und junge Menschen ein Jahr ihres Lebens beraubt werden.

00:28:12: Also, dass es im Gespräch ist.

00:28:13: Verstehe ich schon einfach diese Frustration und das, die sich Übergang fühlen und ich gehört fühlen, kann ich total nachvollziehen.

00:28:22: Ging es ja auch ganz viel um wirklich große Ängste, die da mitspielen und über allem schwebte auch die Angst, dass auf jeden Fall diese Werbpflicht kommen wird, dass die Freiwilligkeit einfach nicht ausreichen wird, um den Bedarf zu decken bei der Bundeswehr.

00:28:37: Was hältst du denn von einer Wiedereinführung der Werbpflicht?

00:28:40: Ich bin gegen eine Werbpflicht, Wiedereinführung der Werbpflicht, einfach weil ich ja auch bei der Bundeswehr erlebt habe, dass viele Leute auch abspringen, weil ... Ich bin jetzt auch nicht die erste, die das sagt, die Kommunikation und die Struktur und die Organisation in der Bundeswehr einfach total schlecht ist noch.

00:28:58: Und also zum Beispiel, ich habe meinen Musterungstermin total kurzfristig in den Sommerferien bekommen, dann konnte ich den nicht wahrnehmen.

00:29:05: Da hatte ich, brauchte ich neun Termin, dann konnten die mir keinen geben und dann konnte ich eben

00:29:10: am

00:29:10: Ende erst zum nächsten Quartal anfangen, was drei Monate später war und habe schon angefangen zu studieren.

00:29:17: Und also wäre dann fast sogar nicht hingegangen, weil ich einfach schon Studium hatte und so.

00:29:21: Also das ist einfach so, die total viele Leute verlieren.

00:29:24: Es ist Sicherheit, die Überprüfungen gehen nicht durch.

00:29:26: Leute müssen ganz die Grundausbildung wiederholen.

00:29:29: Und so lange man so was sich in den Griff kriegt und die Freiwilligen nicht hält, finde ich unfair schon über eine Wehrpflicht zu reden.

00:29:36: Also du kritisierst durchaus auch einiges an der Bundeswehr.

00:29:39: Vor allen Dingen die Bürokratie höre ich daraus.

00:29:43: Glaubst du denn?

00:29:44: dass aber die Bundeswehr attraktiv genug sein wird, um ausreichend Freiwillige jetzt anzuziehen in den kommenden Monaten und Jahren?

00:29:51: Also ich hoffe es total.

00:29:53: Ich finde zum Beispiel, dass der Wehrseil so doll erhöht wird, also es ist ja extrem viel Geld, zwei tausendsechsehundert Euro.

00:29:58: Ich kann mir schon vorstellen, dass das für viele attraktiver wird.

00:30:01: Und wenn dann auch die Leute da gehalten werden und durch schlechte Organisationen nicht abspringen, kann ich mir schon gut vorstellen, dass was sich tut.

00:30:11: Hast du denn... Angst davor, du bist jetzt Reservistin vor dem Ernstfall, also vor einem tatsächlichen Einsatz?

00:30:21: Ja, klar.

00:30:22: Also klar ist es schon immer, wenn ich gehört habe, dass wieder eine Drohne über Estland gesichtet wurde und teilweise auch über Deutschland, das ist schon immer so ein Stich und da kommt man dann immer wieder ins Nachdenken.

00:30:37: Ja, klar.

00:30:39: In einem möglichen Verteidigungsfall würdest du also als Reservistinnen aktiviert werden, wie würde das denn genau aussehen?

00:30:47: Also was würde das für dich bedeuten?

00:30:50: Genau, in einem Verteidigungsfall würde ich und andere Heimatschützer natürlich auch eingezogen werden.

00:30:55: Man weiß natürlich nicht, was im Ernstfall dann passiert, aber wir sind dafür ausgebildet, im Inland eingesetzt zu werden, also vertreidigungswichtige Infrastruktur am Ende zu verteidigen, wenn es zu einem Verteidigungsfall kommen sollte.

00:31:07: Du studierst jetzt, das hast du gerade schon angesprochen.

00:31:11: Im Moment erstmal was völlig anderes.

00:31:13: Du studierst Medieninformatik.

00:31:14: Könntest du dir aber grundsätzlich auch eine berufliche Laufbahn bei der Bundeswehr vorstellen?

00:31:19: Ich habe tatsächlich darüber nachgedacht, während ich bei der Bundeswehr war, weil es mir Spaß gemacht hat, aber nein.

00:31:24: Wenn man eine Laufbahn als Feldwebel oder Offizier machen will, muss man sich auch viele Jahre verpflichten und da studieren will.

00:31:31: Und das kann ich mir zum Beispiel nicht vorstellen.

00:31:35: Nimmst du denn aus deiner Zeit bei der Bundeswehr irgendwas mit, was dir auch... Für deinen weiteren Lebensweg, für dein Studium vielleicht auch hilft?

00:31:44: Ja, auf jeden Fall.

00:31:46: Man lernt da natürlich als Frau vor allem, sich in einem sehr männlich dominierten System zurechtzufinden.

00:31:53: Zu behaupten.

00:31:53: Und

00:31:54: zu behaupten, ja, und sich auch irgendwie ein bisschen zu beweisen.

00:32:00: Und das nehme ich auf jeden Fall mit.

00:32:01: Also, dass ich mich nicht mehr so von Männern zum Beispiel einschüchtern lasse.

00:32:04: Vielen, vielen Dank, Ella, dass du deine Geschichte mit uns heute geteilt hast.

00:32:09: Sehr gerne.

00:32:11: Wer jetzt noch mehr erfahren will von Ellas spannender Geschichte, dem empfehle ich einen Blick in die Show-Notes.

00:32:18: Meine Kollegin Julia Schaaf hat Ella während ihrer Ausbildung bei der Bundeswehr immer wieder gesprochen.

00:32:25: Und daraus ist ein ganz tolles Storytelling, wie ich finde, entstanden mit auch vielen Fotos aus der Ausbildungszeit.

00:32:32: Das, wie gesagt, finden sie in den Show-Notes.

00:32:35: Und damit sind wir auch schon am Ende der Sendung angekommen.

00:32:40: Wenn es um die Bundeswehr geht, kann ich sie aber hier nicht entlassen, heute ohne auch nochmal eine große Empfehlung auszusprechen für die erste FHZ-Dokumentation, den ersten FHZ-Dokumentarfilm, der in der vergangenen Woche übrigens hier im Cinema-Kino in Frankfurt Premiere gefeiert hat.

00:32:58: Und jetzt für Sie alle frei zu sehen ist auf Fats.net, den entsprechenden Link, den packe ich auch in die Show Notes dazu.

00:33:06: Darin geht es um die Geschichte des Ehemalys.

00:33:12: der bei einer Raketenexplosion in Afghanistan verwundet wurde.

00:33:17: mit erleben musste, wie einige seiner Kameraden gefallen sind und seitdem mit schweren Auswirkungen von PTBS, also einer posttraumatischen Belastungsstörung, zu kämpfen hat.

00:33:28: Und meine Kollegen Alexander Davidoff und Kathrin Jakob haben ihn über viele Jahre auf diesem Weg sich zurück ins Leben zu kämpfen begleitet.

00:33:37: Lauf des Lebens heißt die Dokumentation.

00:33:40: Alle weiteren Informationen finden Sie in den Show Notes.

00:33:44: Dann habe ich noch zu danken für die Mitarbeit an der heutigen Sendung, und zwar Katrin Jakob, Lili Belewski und Bengi Topchu.

00:33:53: Das war's für heute.

00:33:54: Ihnen sage ich vielen Dank fürs Zuhören.

00:33:56: Machen Sie's gut.

00:33:56: Bis morgen.

Über diesen Podcast

Der Nachrichten-Podcast der F.A.Z. mit exklusiven Interviews zu aktuellen Themen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft. Der Podcast für Deutschland bietet Montag bis Freitag um 17 Uhr hintergründige und kontroverse Diskussionen mit F.A.Z.-Redakteuren.

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von und mit Frankfurter Allgemeine Zeitung

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